Es war ein Eklat mit Ansage: Zwar beginnen die offiziellen Befragungen der künftigen EU-Kommissare erst am Montag. Aber zwei Bewerber brauchen dann nicht mehr anzutreten. Rovana Plumb aus Rumänien (vorgesehen für Verkehr) und Laszlo Trocsanyi (Erweiterung) wurden am späten Donnerstagabend vom Rechtsausschuss des Europäischen Parlamentes abgelehnt. „Sie konnten den Verdacht nicht ausräumen, dass sie schwere Interessenskonflikte und Integritätsprobleme haben und hatten“, begründete der Grünen-Europa-Politiker Sven Giegold die Rote Karte. Sein Parteifreund Daniel Freund sprach gegenüber dieser Redaktion von „einem Erfolg für das Parlament“.
Freund hatte bis zu seiner Wahl in die Straßburger Abgeordnetenkammer in diesem Jahr als Anti-Korruptionsexperte im Brüsseler Büro von Transparency International gearbeitet: „ Unsere Recherchen haben sogar bei sechs Kandidaten Interessenkonflikte sowie noch ungeklärte Korruptionsvorwürfe ergeben, die eigentlich nicht tolerierbar sind“, sagte er. Sollte es zu weiteren Zurückweisungen kommen, würde der Zeitplan für die Inthronisierung der neuen Europäischen Kommission unter ihrer Präsidenten Ursula von der Leyen am 1. November ordentlich durcheinander gewirbelt.
Gegen die französische Anwärterin Sylvie Goulard (sie soll den Binnenmarkt übernehmen) ermittelt die Anti-Korruptionsbehörde der EU (Olaf), weil sie einen Mitarbeiter ihres Büros für die Parteiarbeit eingespannt haben soll. Sie zahlte 45.000 Euro an das Parlament zurück. Umstritten ist ein weiterer Vorwurf, bei dem es um das Beraterhonorar einer privaten Stiftung geht, das sie einige Jahre bezogen haben soll. Gegen den bisherigen belgischen Außenminister Didier Reynders (Rechtstaatlichkeit) gibt es Beschuldigungen wegen öffentlicher Auftragsvergaben seines Hauses. Es geht um Korruption und Geldwäsche. Und gegen den von Polen nominierten Kommissions-Kandidaten Janusz Wojciechowski (Landwirtschaft) ermittelt Olaf wegen falscher Reiseabrechnungen. Unter verschärfter Beobachtung steht auch der Spanier Josep Borrell, der neuer Außenbeauftragter werden soll und schon einmal Präsident des EU-Parlamentes war. Angeblich liegt gegen ihn ein Strafbefehl wegen Insidergeschäften vor.
Von der Leyen muss damit rechnen, dass ihr Team in der kommenden Woche, wenn täglich drei Befragungen stattfinden, zerpflückt wird. Dabei kann die CDU-Politikerin selbst kaum etwas tun: Sie muss mit den Namen leben, die ihr die Regierungen vorschlagen. Über manch ein harsches Votum der Europa-Abgeordneten dürfte sie allerdings auch nicht wirklich unglücklich sein. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die künftige Kommissionspräsidentin mit allen, die von den Mitgliedstaaten nominiert wurden, gerne zusammenarbeiten möchte“, sagte Freund.
Am Montag beginnen die Anhörungen, die nach einem festen Schema ablaufen. Bis zum Wochenende hatten die Kandidaten Zeit, über 100 Fragen der Abgeordneten schriftlich zu beantworten, wobei sie allerdings Unterstützung von Kommissionsbeamten hatten. Während der dreistündigen Befragung dürfen alle Punkte angesprochen werden: von der persönlichen Lebensführung über finanzielle Verpflichtungen bis hin zu den inhaltlichen Vorstellungen ihres Dossiers, welche die Bewerber dann fünf Jahre lang betreuen. Daniel Freund: „Bei einigen Bewerbern gibt es erhebliche Zweifel, ob sie für das Amt und die vorgesehene Aufgabe handwerklich qualifiziert sind.“