Der scheidende US-Präsident Barack Obama will alles für eine friedliche Übergabe der Macht an seinen Nachfolger Donald Trump tun. Obama sprach am Donnerstag mit dem Sieger der Präsidentschaftswahl überhaupt zum ersten Mal persönlich - in seinem Amtszimmer, dem Oval Office, im Weißen Haus.
An Trump gewandt sagte er: «Wenn Sie erfolgreich sind, ist das Land erfolgreich». Aus ursprünglich geplanten 10 bis 15 Minuten seien anderthalb Stunden geworden und es hätte nach seinem Geschmack noch länger dauern können, sagte Trump. «Es war mir eine große Ehre.»
Obama weiterhin mit Bedenken
Die Beziehung beider Männer war bislang eher spannungsgeladen. Sollte Trump seine Ankündigungen wahrmachen, dann revidiert er sehr schnell Kernstücke des Obama-Vermächtnisses. Das betrifft die Gesundheitsreform, aber auch das Atomabkommen mit dem Iran. Obama hatte dem politischen Seiteneinsteiger Trump während des Wahlkampfes bescheinigt, als Oberkommandierender der Streitkräfte ungeeignet zu sein.
Sein Sprecher sagte nach dem Treffen mit Trump, Obama habe nach wie vor die gleichen großem Bedenken, die er schon während des Wahlkampfs geäußert habe. Die Wähler seien aber zu einer anderen Entscheidung gekommen. Dieses Thema sei bei dem Treffen der beiden aber nicht angesprochen worden. «Der Präsident sucht sich seinen Nachfolger nicht aus», sagte Earnest.
Nach dem überraschenden Wahlsieg Trumps machten am Mittwochabend Tausende Menschen in rund zehn Städten von der Ost- bis zur Westküste der USA bei Protesten ihrem Unmut Luft. Sie skandierten unter anderem «Nicht mein Präsident». In Los Angeles legten die Protestler mehr als drei Stunden lang eine Hauptverkehrsader durch die Stadt lahm. Zahlreiche Demonstranten versammelten sich auch vor dem Trump-Tower in New York, wo der Milliardär wohnt.
Überraschender Sieg
Der politisch unerfahrene Seiteneinsteiger Donald Trump hatte nach einem aggressiven und populistischen Wahlkampf überraschend gegen die Demokratin Hillary Clinton gewonnen. Der 70-Jährige zieht am 20. Januar 2017 als 45. Präsident ins Weiße Haus ein und regiert die größte Wirtschafts- und Militärmacht der Welt. Die First Lady Michelle Obama zeigte Trumps Frau Melania das Weiße Haus.
Auch zwei Tage nach der Präsidentschaftswahl stand das Endergebnis noch nicht fest, weil in den Bundesstaaten Michigan und New Hampshire noch Stimmen ausgezählt wurden. Nach der Wahl von Trump mahnte Frankreichs Staatschef François Hollande die Europäer, geschlossen aufzutreten. «Es ist sehr wichtig, dass die Europäer in dieser neuen Lage klar willens sind, gemeinsam zu handeln», sagte Hollande am Donnerstag in Paris. Auf Europa und die Bundeswehr könnten mit einem US-Präsidenten Trump größere Rüstungsausgaben zukommen. «Wir können uns weniger darauf verlassen, dass die USA sich in den Krisengebieten der Welt engagieren und damit auch zur Sicherheit hier in Europa beitragen», sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Henning Otte (CDU), der Deutschen Presse-Agentur. «Das wird mehr Einsätze für die Europäer bedeuten, speziell für die Rahmennation Deutschland.»
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte in Berlin mehr europäische Verantwortung in der Verteidigungspolitik - «bis hin zum Ziel der Einrichtung einer europäischen Armee». Man müsse sich von der Vorstellung verabschieden, die Amerikaner seien für die Sicherheit Europas zuständig. «Das müssen wir schon selbst tun.» Am Montag geht es bei einem gemeinsamen Treffen der EU-Außen- und Verteidigungsminister in Brüssel um Pläne zur Weiterentwicklung der EU-Sicherheitspolitik. Am Vorabend kommen bereits die Außenminister der EU-Staaten zu einem Sondertreffen in Brüssel zusammen.
Obama nochmal in Europa
Trump und Obama sprachen Earnest zufolge auch über die Reise des Amtsinhabers nächste Woche nach Deutschland und Griechenland. Obama wolle in Europa zum Ausdruck bringen, dass starke Allianzen die USA sicherer machten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich mit Blick auf einen zunehmenden Populismus besorgt über die Art der politischen Auseinandersetzung - auch in Deutschland. In einem Beitrag für die «Bild»-Zeitung (Donnerstag) schrieb der CDU-Politiker: «Demagogischer Populismus ist nicht nur ein Problem Amerikas.» Vor allem im Internet sei inzwischen «völlig egal, ob Behauptungen wahr sind - Hauptsache, der Empörungsgrad stimmt.»
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), warnte vor den politischen Folgen der hohen Jugendarbeitslosigkeit in europäischen Ländern. Diese sei «auf Dauer unvereinbar mit stabiler Demokratie» und ein «Nährboden für Politiker vom Schlage Trumps», sagte Röttgen der «Welt» (Donnerstag). Mit dem alten Präsidenten Obama verlässt eine ganze Heerschar von Mitarbeitern die Administration, und Kabinettsposten müssen neu besetzt werden. Als Außenminister werden der glühende Trump-Unterstützer Newt Gingrich, Senator Bob Corker und der frühere UN-Botschafter John Bolton gehandelt. Als Verteidigungsminister sind General Michael Flynn und Senator Jeff Sessions (Alabama) im Gespräch.