Noch einmal nutzte Nigel Farage am Donnerstagabend die Gunst der Stunde für einen großen Auftritt. Inmitten seiner Fraktionskollegen, die wie eine Kindergarten-Gruppe britische Fähnchen schwenkten, wählte der 55-jährige Brexit-Initiator im Europäischen Parlament in Brüssel aber besonders heftige Worte: „Ich liebe Europa, aber ich hasse die Europäische Union.“ Das brachte ihm zwar einen Ordnungsruf der Sitzungspräsidentin ein, aber auch unterstützendes Johlen seiner Anhänger. Dann verließ die Gruppe das Plenum für immer.
20 Jahre hatte der Brite in Straßburg und Brüssel nur ein Ziel verfolgt: Das Vereinigte Königreich von der EU zu trennen. Wenn in der Nacht zum Samstag der Brexit vollzogen wird, fühlt er sich am Ziel seiner Lebensträume, wie er selbst es ausdrückte. Aber all das hindert den früheren Ukip- und heutigen Brexit-Parteichef nicht daran, sich seinen politischen Lebensabend von der verhassten EU fürstlich entlohnen zu lassen.
Immerhin kann er in den kommenden zwei Jahren auf ein Übergangsgeld von insgesamt exakt 178 657,20 Euro hoffen – für jedes Abgeordnetenjahr erhalten EU-Parlamentarier die Diäten eines Monats. Das sind 8932,86 Euro. Diese Zahlungen sind auf 24 Monate begrenzt, Farage hatte 20 Jahre ein Mandat.
Zusätzlich kann er sich ab der Vollendung seines 63. Lebensjahres über eine monatliche Rente von 6253 Euro freuen – lebenslang. Hinzu kommen noch Zahlungen aus dem Pensionsfonds der Gemeinschaft, der 2009 geschlossen wurde, weil er schon damals hochdefizitär war. Dass jemand die Gemeinschaft nicht nur bekämpft, sondern auch ausnimmt, ist in dieser Größenordnung einzigartig. Zumal der Brite und frühere Investment-Banker ohnehin ein wohlhabender Mann ist.
Das Magazin „PeopleWith Money“ (Leute mit Geld) führte ihn vor wenigen Tagen sogar als bestbezahlten Politiker der Welt im Jahr 2020 mit einem geschätzten Einkommen von 96 Millionen Dollar (rund 87 Millionen Euro) allein zwischen Dezember 2018 und 2019. Sein Vermögen gab das Blatt mit geschätzten 275 Millionen Dollar (249 Millionen Euro) an.
Neben Aktieneinkünften verfüge Farage über etliche Immobilien und Sponsoringverträge mit einem Kosmetikhersteller. Er besitze, so das Magazin weiter, eine Restaurant-Kette in London („Fat-Farage-Burger“), ein Fußball-Team („Herne Angels“) sowie eine eigene Wodka-Marke („Pure Wonderfarage“) und investiere gerade in eine neue Parfum-Reihe mit dem Werbeslogan „From Nigel in Love“ sowie eine Mode-Linie für junge Leute. Farage, der sich gerne als Politiker mit einer Vision und übergroßer Liebe zum britischen Empire inszeniert, geht es also keineswegs nur um das Wohl seiner Landsleute, sondern stets auch um die Präsentation der eigenen Marke.
Als er nach dem Brexit-Votum 2016 gefragt wurde, ob er jetzt nicht als Zeichen für die Ernsthaftigkeit seiner Politik schon mal auf die monatlichen Diäten als Abgeordneter verzichten wolle, lachte er nur und antwortete: „Warum?“
Kein Wunder also, dass Parlamentskollegen ihm unterstellen, er versuche, die EU auch finanziell zu schädigen, soweit ihm dies möglich sei. Diesen Kampf will Farage übrigens fortsetzen: Er kündigte nach der Ratifizierung des Brexit-Vertrages an, er werde nun von außen daran arbeiten, die Europäische Union zu „zerstören“.