Busse, Straßenbahnen und Krankenhäuser – in den Niederlanden gibt es künftig Burka-freie Zonen. Nach zehnjähriger Diskussion und teilweise erbittertem Streit hat das Parlament des Oranje-Staates am Dienstag als viertes europäisches Land ein Verschleierungsverbot eingeführt. „Es gibt vielen Leuten ein Gefühl der Unsicherheit, wenn sie nicht wissen, wer ihnen gegenübersteht“, sagte der Abgeordnete Malik Azmani von der konservativen-liberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), der auch Ministerpräsident Mark Rutte angehört.
Innenminister Ronald Plasterk (Partei von der Arbeit, PvdA) musste seinen Gesetzentwurf dennoch mehrfach umarbeiten, bis eine mehrheitsfähige Fassung herauskam. Dies gelang nur, weil es nicht um ein spezielles Verbot der Vollverschleierung (Burka) oder der Verhüllung des Gesichts (Niqab) handelt. Auch das Tragen von Sturmmasken oder Motorradhelmen ist künftig in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Krankenhäusern, Schulen und staatlichen Gebäuden untersagt. Auf den Straßen bleiben die religiösen Zeichen des Islam allerdings erlaubt. Verstöße könne mit Strafen bis zu 410 Euro belegt werden.
Zufrieden sind die Niederländer dennoch nicht. Der sogenannte Regierungsrat, ein Verfassungsorgan zur Beratung des Kabinetts, nannte das Vorhaben sogar „unnütz“. Die Burka sein kein „großes gesellschaftliches Problem“. Tatsächlich gehen Schätzungen in dem 16 Millionen Einwohner zählenden Land von 100 bis 400 verschleierten Frauen aus. Aber darum ging es wohl am Ende nicht mehr. In den Niederlanden wird 2017 eine neue Regierung gewählt. Premier Mark Rutte, der seit 2010 im Amt ist, fürchtet um die Mehrheit seiner Großen Koalition. Umfragen sagen bereits voraus, dass der über die Grenzen des Landes hinaus bekannte Rechtspopulist Geert Wilders mit seiner Freiheitspartei (PVV) möglicherweise zur stärksten politischen Kraft aufrücken könnte. Da erschien den Regierungsparteien das Burka-Verbot ein geeignetes Instrument, um die Wähler an sich zu binden.
Allerdings gerieten die Beratungen stellenweise zu einem fragwürdigen Theater. Als das Parlament in der Vorwoche über den Gesetzentwurf debattierte, saßen auch zehn vollverschleierte Frauen auf der Besuchertribüne. „Es wird über mich gesprochen“, sagte eine der Besucherinnen. „Dann sollten sie mich auch sehen.“ Zwar verhielten sich die Burka-Trägerinnen ruhig, einigen Abgeordneten waren sie dennoch ein Dorn im Auge. „Ich finde das unangemessen. Ich bin froh, dass wir diesem Blödsinn ein Ende machen“, ärgerte sich beispielsweise der frühere Wilders-Gefährte Joram van Klaveren.
Jaques Monasch, der sich erst kürzlich von der PvdA losgesagt hatte, forderte sogar eine Änderung der Parlamentsregeln. Er wolle während einer Debatte den Menschen in die Augen sehen, dieses Recht werde ihm vorenthalten. Nach Frankreich, Belgien und Bulgarien sind die Niederlande das vierte EU-Mitgliedsland, in dem die Verschleierung zumindest in einem großen Teil der Öffentlichkeit untersagt ist.