Irans politische Elite nahm Abschied. Revolutionsführer Ali Khamenei, der das Totengebet an den Särgen leitete, schien einen Augenblick lang von seinen Gefühlen überwältigt. Draußen auf den Straßen drängelten sich am Montag Hunderttausende, um bei dem Staatsakt der Islamischen Republik für den getöteten Ghassem Soleimani in Teheran dabei zu sein. Das öffentliche Leben der Hauptstadt kam zum Stillstand, Schulen und Geschäfte blieben geschlossen. Fast alle Fernsehkanäle übertrugen das Geschehen live. „Tod für Amerika“ skandierten die Massen auf dem zentralen Azadi-Platz, als die Särge dort ankamen, und schwenkten Fotos des 62-Jährigen.
Die Angst der mit den USA verbündeten Nachbarn
Am Dienstag soll der populäre Garden-Kommandeur in seinem Geburtsort nahe der Stadt Kerman beigesetzt werden. „Dies ist ein schwarzer Tag für die USA“, erklärte die Tochter des Getöteten, Zeinab Soleimani, bei ihrer Trauerrede. „Verrückter Trump, glaub ja nicht, dass mit dem Märtyrertod meines Vaters jetzt alles vorbei ist“, rief sie unter tosendem Beifall. „Alle Eltern von US-Soldaten, die im Nahen Osten stationiert sind, müssen jetzt auf den Tod ihrer Kinder warten.“ Aber auch unter den regionalen Verbündeten der USA wächst die Angst. Heikel ist die Lage vor allem für Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, die als schärfste Kritiker des iranischen Machtstrebens in der Arabischen Welt gelten. Beide Ölstaaten befürchten, wegen Trumps Wankelmut im Falle eines Angriffes ohne amerikanische Deckung dastehen zu können. Riad und Abu Dhabi bemühten sich daher seit Monaten, ihr Verhältnis zur Islamischen Republik zu entspannen, eine politische Initiative, an der offenbar auch der getötete Soleimani beteiligt war.
Netanjahu lobt Trump
Die EU lud Außenminister Mohammad Javad Zarif zu Gesprächen nach Brüssel ein, nachdem der Iran am Sonntag auch den fünften und letzten Teil des 2015 geschlossenen Atomabkommens aufgekündigt hatte. Sämtliche Schritte seien reversibel, betonte Zarif. Sein Land kooperiere unverändert mit der Internationalen Atomenergiebehörde und werde sofort zur vollen Vertragstreue zurückkehren, wenn die anderen Unterzeichnerstaaten ihrerseits den Verpflichtungen nachkämen. Diese Kritik zielt vor allem auf Deutschland, Frankreich und Großbritannien, denen Teheran vorwirft, sich dem Sanktionsdiktat der Vereinigten Staaten bisher ohne nennenswerten Widerstand zu beugen.
Ganz anders das Bild in Israel: Nirgendwo sonst hat die Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani durch das US-Militär wohl so viel Freude und Erleichterung ausgelöst. Überschwänglich lobt Regierungschef Benjamin Netanjahu seinen engsten Bündnispartner, US-Präsident Donald Trump, für dessen „entschlossenes, starkes und schnelles Vorgehen“ gegen Israels Erzfeind.
Israel als Zielscheibe
„Soleimani hat viele Terroranschläge im ganzen Nahen Osten und anderswo initiiert, geplant und ausgeführt“, betont der 70-Jährige am Sonntag. „Soleimani war zweifellos der zentrale Drahtzieher aller iranischen Bemühungen, sich in der Region militärisch zu etablieren und Terrororganisationen wie Hisbollah, Hamas und Islamischer Dschihad Waffen zu liefern“, sagt der Iran-Experte Raz Zimmt vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv. Sein Tod werde der iranischen Unterstützung für Israels Feinde mittelfristig einen Dämpfer versetzen. Doch könnte Israel nun zur Zielscheibe der Rache Teherans werden? „Es ist eine Möglichkeit, die kein israelischer Anführer ignorieren kann“, sagt Iran-Kenner Meir Javedanfar. „Aber ich glaube nicht, dass wir ganz oben auf der Liste des iranischen Regimes stehen.“ Israels Sicherheitskabinett wollte sich noch am Montag mit den Auswirkungen der Tötung Soleimanis befassen. Auf der Tagesordnung stand die Frage: Wie kann Israel sich auf Racheangriffe des Irans auf israelische Ziele vorbereiten? Beide Experten meinen jedoch, ein direkter Angriff auf Israel liege momentan keineswegs im Interesse Teherans. Sollten die Iraner Israel wegen Trumps Aktion angreifen, „dann hätten sie es doch nur mit einem weiteren entschlossenen Gegner zu tun“, sagt Javedanfar.
Milizen als Machtmittel
Die Rechtmäßigkeit des US-Angriffs auf Soleimani wird in Israel nicht in Zweifel gezogen. Er galt als Vordenker und treibende Kraft der iranischen Expansionspolitik, mit dem Ziel einer Landachse vom Libanon am Mittelmeer über Syrien und den Irak bis nach Teheran. Unter der Führung des Generals dehnte der Iran seinen militärischen Einfluss über Milizen bis an die Grenze Israels aus.