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Washington
Nach Trumps Impeachment: Ein Freispruch mit Verfallsfrist
Nach dem gescheiterten Amtsenthebungsverahren drohen Donald Trump nun strafrechtliche Verfahren vor Gericht. Die Republikaner aber bleiben in seinem Klammergriff.
Donald Trump, damaliger Präsident der USA, steht auf dem Balkon des Weißen Hauses, nachdem er das Walter-Reed-Militärkrankenhaus verlassen hat. Donald Trump könnte auch in Zukunft bei Wahlen zum Präsidenten antreten.
Foto: Alex Brandon/AP/dpa | Donald Trump, damaliger Präsident der USA, steht auf dem Balkon des Weißen Hauses, nachdem er das Walter-Reed-Militärkrankenhaus verlassen hat. Donald Trump könnte auch in Zukunft bei Wahlen zum Präsidenten antreten.
Karl Doemens
Karl Doemens
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:58 Uhr

Um 15.49 Uhr stand das Urteil fest. Doch das letzte Wort war noch nicht gesprochen. Zehn Stimmen von Republikanern hatten für die Verurteilung des Ex-Präsidenten im Washingtoner Senat gefehlt, wo die Volksvertreter fünf Wochen zuvor Augenzeugen des blutigen Aufstands von Trump-Anhängern geworden waren. Nun trat nach der Abstimmung der republikanische Fraktionschef Mitch McConnell ans Pult und redete Klartext: Eine "schändliche Verletzung" seiner Amtspflichten habe Donald Trump begangen. Er sei "praktisch und moralisch" für den Putschversuch verantwortlich.

Erst Freispruch – dann Anklage: das paradoxe Verhalten von McConnell, der selbst gegen die nachträgliche Amtsenthebung gestimmt hatte, sagt viel über die Lage der Republikaner aus. Formal verschanzte sich der Machtpolitiker hinter dem Argument, die rückwirkende Amtsenthebung eines Präsidenten sei rechtlich nicht möglich. Das freilich sieht nicht nur die Mehrheit der amerikanischen Verfassungsrechtler anders. Es klang auch perfide, weil McConnell selbst dafür gesorgt hatte, dass sich der Senat erst nach dem Ende von Trumps Amtszeit am 20. Januar mit der Impeachment-Anklage des Repräsentantenhauses befasste.

Doch der Republikaner-Führer lieferte einen bemerkenswerten Hinweis: "Ehemalige Präsidenten können durchaus vor normalen Gerichten angeklagt und verurteilt werden." Ausdrücklich setzte McConnell hinzu: "Präsident Trump kann als normaler Bürger immer noch für alles, was er in seiner Amtszeit getan hat, strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden." Tatsächlich haben mehrere Staatsanwaltschaften inzwischen Ermittlungen gegen Trump aufgenommen. Der meldete sich aus seinem neuen Wohnsitz in Palm Beach per Pressemitteilung zu Wort: Die "größte Hexenjagd der Geschichte" sei zu Ende, jubelte er und kündigte eine Rückkehr auf die politische Bühne an: "Unsere historische, patriotische und wunderbare Bewegung, Amerika wieder groß zu machen, hat gerade erst begonnen." Reue zeigte der Ex-Präsident nicht.

Ermittlungen in Georgia

Das Kapitel Trump ist also noch nicht zu Ende – und zwar in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur bleibt der 74-Jährige auf absehbare Zeit die mächtigste Figur der politischen Rechten in den USA und wird seine Partei in erbitterte Richtungskämpfe treiben. Auch verlagert sich die Aufarbeitung seines Fehlverhaltens vom Kongress zu den Gerichten: Vor wenigen Tagen hat die Staatsanwaltschaft in Georgia wegen Trumps Versuch, den für die Wahlen zuständigen Minister Brad Raffensperger zur Fälschung des Ergebnisses zu drängen, Ermittlungen aufgenommen. In New York untersuchen Anklagebehörden zweifelhafte  Finanztransaktionen bei Trumps früheren Immobiliengeschäften.

Dass die politische Ächtung von Trump scheiterte, lag alleine an den Republikanern und deren Angst vor der unverändert Trump-treuen Basis. In dem einwöchigen Impeachment-Prozess, an dessen Ende neben der eher symbolischen rückwirkenden Amtsenhebung vor allem eine öffentliche Ämtersperre für die Zukunft stehen sollte, hatten die Demokraten  Berge von Belastungsmaterial zusammengetragen. Mit Videoaufnahmen, Tonbandmitscnitten und Screenshots von Tweets zeichneten sie eindrucksvoll den Weg von Trumps Wahlfälschungs-Lügen über seine Kampagne zur Mobilisierung der Anhänger bis zum blutigen Sturm auf das Kapitol nach, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen.

Sieben Republikaner stimmten gegen die Parteilinie

Die Verteidigung hatte dem in der Sache wenig entgegenzusetzen. Kein republikanischer Senator verteidigte den Ex-Präsidenten direkt. Stattdessen zog sich das Trump-Lager auf die formalen Argumente zurück, dass Trumps hetzerische Appelle von der Redefreiheit gedeckt seien, er niemals direkt zur Gewalt aufgerufen habe und zudem als Privatmann nicht mehr des Amtes enthoben werden könne. Nachdem Trump sein Verteidiger-Team erst wenige Tage vor dem Prozess komplett ausgetauscht hatte und sein wichtigster Anwalt am entscheidenden Verhandlungstag abwesend war, verlief die Präsentation streckenweise konfus und chaotisch.

Doch darauf kam es der Mehrheit der Republikaner nicht an. 43 von 50 republikanischen Senatoren votierten am Samstag trotzdeem für Freispruch. Immerhin stimmten sieben – darunter Mitt Romney aus Utah und Susan Collins aus Maine – mit den 50 Demokraten für eine Verurteilung wegen "Anstiftung zum Aufruhr". Doch für die Amtsenthebung wäre eine Zweidrittelmehrheit von 67 Stimmen erforderlich gewesen. Präsident Joe Biden vermied  gleichwohl direkte Kritik an der Feigheit der Republikaner. Er warb vielmehr um eine Aussöhnung der Gesellschaft. "Dieses traurige Kapitel unserer Geschichte erinnert uns daran, dass die Demokratie zerbrechlich ist und immer verteidigt werden muss", erklärte der Demokrat und rief dazu auf, nun "die Seele der Nation" zu heilen.

 
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