Zeit für diplomatische Floskeln verschwendet er an diesem für die CDU so wichtigen Tag nicht. „Diese Entscheidung ist auch eine Richtungsentscheidung für die CDU“, sagt Friedrich Merz. „Wir haben seit heute einen offenen Wettbewerb.“ Und in diesem Wettbewerb, das ist inzwischen klar, wird der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet sein schärfster Gegner sein. Beide haben am Dienstag offiziell ihre Kandidatur für den Parteivorsitz angemeldet. Die CDU bereitet sich damit auf eine Kampfabstimmung beim Parteitag Ende April vor.
Wie klar sich die Kandidaten voneinander abgrenzen, machten zwei getrennt voneinander abgehaltene Pressekonferenzen deutlich. „Wir haben die Alternative zwischen Kontinuität und Aufbruch und Erneuerung“, sagte Merz. „Ich stehe für Aufbruch und Erneuerung der CDU.“ Die Zeit des Teamgedankens ist damit vorbei. Auch Laschet grenzte sich klar von seinem Gegenspieler ab. Er bot sich als Versöhner für die Partei und für die Gesellschaft an. „Wir können und müssen unsere Partei und unser Land wieder zusammenführen“, sagte Laschet. Und teilte gegen Merz aus: „Ich bedauere, dass nicht alle Kandidaten sich dem Teamgedanken anschließen konnten.“ Damit besteht die Gefahr, dass die Gräben in der ohnehin aufgewühlten Partei tiefer werden.
„CDU wie SPD haben breit angelegte Beteiligungsprozesse hinter sich gebracht verbunden mit der Hoffnung, dass diese Prozesse die inhaltlichen Richtungskämpfe befrieden würden“, sagt der Berliner Politikwissenschaftler Thorsten Faas. Hat es geklappt? „Eher nicht“, sagt Faas. „Die Frage der Ausrichtung ist offen und wird auch nach dem 25. April 2020 virulent bleiben.“ Mit Spannung beobachtet wird die Entwicklung auch in der Schwesterpartei CSU. Dort hatte Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder immer wieder ein Mitspracherecht eingefordert – auch, weil der CDU-Vorsitz mit dem gemeinsamen Kanzlerkandidaten verknüpft ist.
Kein historischer Präzedenzfall
Doch einen historischen Präzedenzfall für den Anspruch Söders, den CDU-Kanzlerkandidaten mitzubestimmen, gibt es nicht. Zwar konnte die CSU in der Geschichte der Bundesrepublik zweimal eigene Kanzlerkandidaten durchsetzen: 1980 Franz Josef Strauß und 2002 Edmund Stoiber. Ansonsten hat sie sich, wenn sie selbst keinen Alternativkandidaten aufzubieten hatte, den Vorschlägen der CDU stets untergeordnet. Dass die CSU jemals ernsthaft versucht hätte, einen Kanzlerkandidaten der CDU zu verhindern, um einen anderen CDU-Politiker aufs Schild zu heben, ist nicht überliefert. „Ich kenne keinen Fall, in dem irgendwo ein derartiger Großkonflikt gewesen wäre“, sagt der langjährige CSU-Generalsekretär Thomas Goppel.
Bestenfalls könnte das Jahr 1971 zum Vergleich herangezogen werden. Damals gab es vor der Bundestagswahl 1972 in der CDU zwei potenzielle Herausforderer: CDU-Chef Rainer Barzel und den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg. Die CSU wollte Barzel. Zu einem Konflikt zwischen CDU und CSU aber kam es erst gar nicht, weil Stoltenberg vorher zurückzog. Ob Söder heute einen CDU-Kandidaten ablehnen könnte, ohne selbst seinen Hut in den Ring zu werfen, ist in der CSU umstritten. Einige halten es schlicht für „undenkbar“. Andere geben zu bedenken, dass es auf die konkrete Situation ankommt. Sollte der neue CDU-Chef ähnlich schlecht starten wie die amtierende CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, dann könne es keinen Automatismus geben.