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Mehr Ernst beim Thema Deutsche Einheit
Stefan Lange (51) ist neuer Leiter des Hauptstadtbüros unserer Zeitung. Zuvor arbeitete er als Teamleiter Politik im Berliner Büro von Dow Jones Newswires und dem Wall Street Journal. Lange ist seit 2001 in Berlin und hat dort unter anderem bei verschiedenen Nachrichtenagenturen gearbeitet. Davor war der gebürtige Friese zwölf Jahre lang als Volontär und Redakteur bei einer Tageszeitung in Jever beschäftigt.
Stefan Lange
 |  aktualisiert: 04.02.2020 02:10 Uhr

Die meisten werden wohl wissen, dass sich in diesem Jahr die Deutsche Einheit zum 30. Mal jährt. Was viele nicht wissen: Die Bundesregierung hat im April 2019 die Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ einberufen. Aufgabe der Kommission ist es, „Handlungsempfehlungen zur Ausgestaltung des Jubiläumsjahres“ zu geben. Damit das Volk auch ja an den richtigen Stellen jubelt. Erinnerungskultur ist wichtig und richtig. Was die Regierung hier aber veranstaltet, ist mindestens fragwürdig.

Um bei der Kommission zu bleiben: Sie hat sich die Veranstaltungsreihe „Deutschland im Gespräch: Wie wollen wir miteinander leben?“ ausgedacht. Der Start ist am 15. Februar in Heilbronn, die Einwohner sollen mit den Menschen aus der Partnerstadt Frankfurt an der Oder über diese doch völlig beliebige Frage diskutieren.

„Partnerstädte treffen sich zum Kochen oder Tanzen“, sagt Merkel

Heilbronner wie Frankfurter sind offenbar auch nicht wirklich elektrisiert. Die verlängerte Anmeldefrist lässt jedenfalls darauf schließen, dass das Interesse nicht besonders groß ist. Aber wie denn auch, angesichts der bemühten Feierstimmung? Die übrigens nicht nur auf Heilbronn und Frankfurt an der Oder beschränkt ist: „Andere Partnerstädte aus Ost und West treffen sich zum Kochen oder Tanzen“, sagt Kanzlerin Angela Merkel, und man reibt sich angesichts dieser Ankündigung verwundert die Augen. Die Antwort der Regierung auf 30 Jahre Deutsche Einheit ist offenbar Ringelpiez mit Anfassen.

Vor fünf Jahren schon mahnte der DDR-Bürgerrechtler Ehrhart Neubert anlässlich der zentralen Gedenkfeier zum 25. Jahrestag des Mauerfalls einen sorgfältigen Umgang mit dem Ereignis an. Das Gedenken an die Mauer, das Unrecht und die DDR dürfe nicht durch Rituale verwässert werden, machte Neubert deutlich. Die Politik allerdings macht genau das, wovor Neubert gewarnt hatte. Sie trällert oder lässt trällern. Der ewige Rettungsschwimmer David Hasselhoff mit seinem schrägen Gassenhauer „Looking for Freedom“ etwa ist einer derjenigen, die mit Unterstützung der Politik durch Mauerfall und Einheit schon seit Jahrzehnten ihre Rente aufbessern können, und für ihr scheinheiliges Engagement auch noch mit Schlagzeilen belohnt werden.

Die Regierung operiert offenbar noch auf dem Stand von 1990

In ihrer Videobotschaft räumt Merkel ein, dass in den vergangenen 30 Jahren Unglaubliches geleistet worden sei, man aber auch „hinter die Kulissen schauen“ müsse. Man sei noch nicht am Ende des Weges, sagt die Kanzlerin. Das sind magere Worte für eine Regierungschefin, die unsere deutsche Einheits-Geschichte schon zum Erfolgsmodell für die Welt hochjazzte. Auch in Ländern wie Syrien oder Irak könnten Mauern fallen, „Mauern der Diktatur, der Gewalt, der Ideologie, der Feindschaft“, sprach Merkel vor fünf Jahren Sätze, die heute wie Hohn anmuten müssen.

Die Bundesregierung braucht offenbar dringend ein Geschichts-Update, sie scheint immer noch auf dem Stand von 1990 zu operieren. Seitdem ist aber eine neue Generation herangewachsen, die eine ganz andere Sicht auf die Einheit hat als die Älteren. Seitdem wurde der Kohleausstieg mit seinen gravierenden Auswirkungen auf die Arbeitsplätze im Osten beschlossen, seitdem wurde die AfD gegründet, seitdem denkt die CDU über eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei nach. Und das sind nur einige Beispiele aus einer langen Reihe von Veränderungen. Quatschen, tanzen, kochen, singen – es ist an der Zeit, diesen Humbug hinter sich zu lassen und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Deutschen Einheit und ihren Folgen zu beginnen.

 
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