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BRÜSSEL
Mandarinen und Orangen belastet
Weihnachtszeit ist Orangenzeit. Die meisten Apfelsinen, die im Winter in nordeuropäischen Supermärkten angeboten werden, kommen aus dem sonnigen Spanien.
Foto: Ralph Schulze | Weihnachtszeit ist Orangenzeit. Die meisten Apfelsinen, die im Winter in nordeuropäischen Supermärkten angeboten werden, kommen aus dem sonnigen Spanien.
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 09.12.2019 02:10 Uhr

Sie gehören auf nahezu jeden Weihnachtsteller: Zitrusfrüchte wie Mandarinen und Orangen. Wie lange noch? Ab heute beraten die Vertreter der Mitgliedstaaten in Brüssel, ob es bei dem fruchtigen Vergnügen bleiben kann. Denn offenbar kommt ein Großteil der Produkte mit Rückständen eines Insektizids daher, das von Fachleuten als hochgefährlich eingestuft wird: Chlorpyrifos.

Das Gift ist in Deutschland verboten, in vielen südlichen Ländern wie Spanien, Griechenland, Italien und Portugal nutzen Landwirte den Stoff allerdings, um Insekten von den Früchten fernzuhalten. Ein Großteil der Mandarinen, Grapefruits und Orangen landet auf den deutschen Tellern.

Erste Warnungen von US-Wissenschaftler 2011

Inzwischen kursieren Untersuchungen aus dem Jahr 2017, denen zufolge jede dritte Grapefruit und jede vierte Mandarine, die hierzulande im Regal der Lebensmittelketten und Discountern liegen, mit Rückständen belastet ist.

Chlorpyrifos wurde 2005 in der EU zugelassen. 2011 gab es erste Warnungen von US-Wissenschaftlern, die von Schäden am Gehirn von Kindern im Mutterleib sprachen. Bis dahin gab es nur die Erhebungen, die die Hersteller selbst zur Prüfung vorgelegt und darin kein Risiko erwähnt hatten.

Kleinste Mengen können das Gehirn verändern

Erst 2018, also viele Jahre später, forderte der schwedische Wissenschaftler Axel Mie die Rohdaten dieser industriefinanzierten Erhebungen an. „Die Daten zeigten, dass schon bei der kleinsten Menge von Chlorpyrifos Hinweise vorliegen, dass das Gehirn verändert ist“, sagte Mie gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“.

Im vergangenen Sommer schaltete sich auch die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im italienischen Parma ein und sprach sich für ein vorläufiges Verbot der Substanz aus. Experten legten nämlich weitere Untersuchungen vor, die zeigten, dass bereits geringe Mengen der Stoffe negative Auswirkungen auf die Entwicklung von ungeborenen Kindern haben können. So würden wichtige Bereiche der Großhirnrinde schrumpfen, was später zu Einbußen der geistigen Leistungsfähigkeit führt. Zwar setzte die EU nach dieser Entdeckung die Grenzwerte deutlich herunter – offensichtlich nicht tief genug.

Die Hersteller laufen in Brüssel Sturm

Seitdem ein Anwendungsverbot für die ganze EU im Gespräch ist, laufen die Hersteller in Brüssel Sturm. Das amerikanische Unternehmen Corteva wandte sich schriftlich an die europäischen Zulassungsbehörden und bestritt die neurotoxischen Auswirkungen und den negativen Einfluss auf die Gehirne von Mensch und Tier. Die Schlussfolgerungen der EFSA würden „nicht geteilt“, hieß es weiter.

Ein anderer Chlorpyrifos-Hersteller ließ schon mal vorsorglich seine Anwälte auf die EU-Kommission los und warnte vor einer Rufschädigung des Wirkstoffs sowie Konsequenzen für die wirtschaftlichen Interessen der herstellenden Konzerne. Die EFSA wurde sogar aufgefordert, warnende Informationen unverzüglich von ihrer Webseite zu entfernen.

Agrrlobby verweist auf fehlende Alternativenfür den Pflanzenschutz

Auch der europäische Agrarverband Copa-Cogeca in Brüssel reagierte bisher eher zurückhaltend. In einem Schreiben an die Europäische Kommission, aus dem verschiedene Medien zitierten, hieß es, man habe „leider bis heute keine vergleichbare Alternative“, um Pflanzenschutz zu gewährleisten. Deshalb bitte die Agrarlobby darum, Chlorpyrifos verwenden zu dürfen, bis eine adäquate Alternative gefunden sei. Andernfalls sei mit erheblichen Einbußen bei der Ernte zu rechnen.

Unklar ist, wie sich die Mehrheit der Mitgliedstaaten nun verhalten wird. Deutschland besteht auf einer Fortdauer und Ausweitung des Verbotes, andere haben sich noch nicht öffentlich positioniert.

 
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