Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen wird nach seinen umstrittenen Äußerungen zu den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz abgelöst. Der 55-Jährige wechselt überraschend als Staatssekretär ins Bundesinnenministerium von Horst Seehofer (CSU) - und wird damit sogar befördert. Diese Lösung präsentierten Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Seehofer und die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles am Dienstag nach einem Krisentreffen im Kanzleramt. Bei der Opposition, aber auch in Teilen der SPD stieß der Wechsel auf scharfe Kritik.
SPD: Keine Kritik an Nahles
SPD-Vize Ralf Stegner bezeichnete Maaßens Versetzung auf den Regierungsposten am Dienstagabend als «Desaster», Juso-Chef Kevin Kühnert sprach von einem «Schlag ins Gesicht». Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen forderte die Entlassung von Innenminister Seehofer. Öffentliche Kritik an Nahles, die den Kompromiss mitgetragen hatte, wurde in der SPD dagegen nicht laut.
Die SPD hatte wegen grundsätzlicher Zweifel an seiner Eignung im Kampf gegen Rechtsextremismus seit Tagen die Ablösung Maaßens gefordert und sogar mit dem Ende der großen Koalition gedroht. Auslöser war unter anderem die Äußerung Maaßens, ihm lägen «keine belastbaren Informationen» vor, dass es in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer gegeben habe. Nun sorgt die SPD ungewollt sogar für seinen Aufstieg. Der 55-Jährige wechselt im Bundesinnenministerium von der Besoldungsstufe B9 (11 577 Euro im Monat) auf B11 (14 157 Euro).
Personalie Maaßen brachte Koalition erneut fast zum Scheitern
Wer Maaßen beim Verfassungsschutz nachfolgen soll, blieb zunächst offen. In Unionskreisen hieß es, als ein Kandidat sei zeitweise der aktuelle Staatssekretär Hans-Georg Engelke im Innenministerium im Gespräch gewesen. Maaßen soll nach «Bild»-Informationen als Staatssekretär die Zuständigkeit für Innere Sicherheit und Cybersicherheit übernehmen. Die Grünen hatte schon vorher gewarnt, falls Maaßen für Innere Sicherheit zuständig werden sollte, wäre er weiter für denselben Bereich wie bisher verantwortlich.
Die Personalie Maaßen hatte die Koalition nach dem Asylstreit im Juni erneut an den Rand des Scheiterns gebracht. Seehofer als für den Verfassungsschutz zuständiger Innenminister hatte Maaßen gestützt und ihm das Vertrauen ausgesprochen. Maaßen gilt seit langem - wie Seehofer - als ein Kritiker der Flüchtlingspolitik Merkels. Sie hatte klar gemacht, «dass die Koalition an der Frage des Präsidenten einer nachgeordneten Behörde nicht zerbrechen wird».
Stegner kritisierte, an der Spitze des Bundesinnenministeriums stünden mit Seehofer und Maaßen nun zwei Leute, die jede Orientierung verloren hätten. «Den Teil, den die SPD beeinflussen konnte, hat sie mit Erfolg geschafft: Herr Maaßen ist nicht mehr Präsident des Verfassungsschutzes, er war dort zu einem Problem für die Demokratie geworden», sagte Stegner der Deutschen Presse-Agentur. Für die Personalfragen in den Ministerien seien die Parteien zuständig. «Hier wird nun aber der Bock zum Gärtner gemacht.»
Grüne: "Unfassbare Mauschelei"
Juso-Chef Kühnert sagte der «Rheinischen Post»: «Ein Verfassungsschutzpräsident, der rechte Verschwörungstheorien verbreitet und verteidigt, ist offensichtlich ungeeignet für ein öffentliches Amt und gehört daher in den Ruhestand versetzt.» Stattdessen sei Maaßen nun sogar befördert und in die Regierung berufen worden. «Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die jeden Tag in voller Konsequenz Verantwortung für sich und ihr Handeln tragen.»
Bei der Opposition sorgte der Wechsel für beißenden Spott. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch meinte: «Dass er faktisch befördert wird und die SPD das mitträgt, ist eine Farce. Illoyalität lohnt sich.» Das Innenministerium dürfe keine Resterampe «für politisch unhaltbare Beamte» sein, so Bartsch.
«Das ist eine unfassbare Mauschelei. Wer illoyales Verhalten und Kuschelei mit der AfD belohnt statt ahndet, hat jedes Gespür für Anstand verloren. Und die SPD macht alles mit», kommentierte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.
AfD: "Merkel hat weiteren Kritiker aus dem Weg geräumt"
FDP-Chef Christian Lindner sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Die Beförderung von Herrn Maaßen ist eine formelhafte Scheinlösung. Entweder man vertraut ihm oder nicht.» Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel erklärte: «Merkel hat einen weiteren Kritiker aus dem Weg geräumt. Nahles kann sich in der SPD als harter Knochen feiern lassen und Seehofer konnte wieder den Kopf aus der Schlinge ziehen.»
Im Innenministerium soll Maaßen der Mitteilung der drei Parteichefs zufolge nicht für die Aufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig sein, obwohl Seehofer «seine Kompetenz in Fragen der öffentlichen Sicherheit» schätze. «Einzelheiten zu den jeweiligen Zuständigkeiten im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird Bundesinnenminister Horst Seehofer morgen im Laufe des Tages der Öffentlichkeit vorstellen», hieß es weiter.
Maaßen: Auslöser war Chemnitz
In Chemnitz war am 26. August ein Deutscher erstochen worden. Des Totschlags tatverdächtig waren anfangs drei Asylbewerber, zwei von ihnen kamen in Untersuchungshaft. Einer von ihnen wurde am Dienstag mangels dringenden Tatverdachts aus der Untersuchungshaft entlassen. Nach der Tat hatte es Demonstrationen von Rechtsgerichteten, Neonazis, Gegnern der Flüchtlingspolitik sowie Gegenproteste gegeben.