Bernd Riexinger (64), steht seit acht Jahren gemeinsam mit Katja Kipping am der Spitze der Linkspartei. Riexinger stammt aus der Nähe von Stuttgart und kommt aus der Gewerkschaftsbewegung. Ursprünglich erlernte er den Beruf eines Bankkaufmanns. Er gehörte zu den Initiatoren des Protests gegen die Einführung von Hartz-IV. Ein Gespräch über die Folgen der Wahl in Thüringen und warum er an eine Regierungsbeteiligung seiner Partei glaubt. Ebenfalls Thema des Gesprächs: der Klimaschutz.
Bernd Riexinger: Das kann ich überhaupt nicht verstehen. Inzwischen ist doch klar, dass das abgesprochen war, was da in Thüringen passiert ist. Es ist auch klar, dass das ein Tabubruch war. Es reicht aber nicht aus, sich davon zu distanzieren, sondern man muss ja auch Lösungen vorschlagen. Für die CDU gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie ist bereit, Ramelow mitzuwählen. Oder sie stimmt zu, dass es Neuwahlen gibt. Aber dass man keines von beiden macht, hieße, dass man einen regierungslosenS chwebezustand als Dauerzustand einrichtet.
Riexinger: Das ist doch absurd. Lindner versucht davon abzulenken, dass er keine klare Haltung zur AfD hatte. Jetzt will er in die Offensive kommen, dabei hätte er zurücktreten müssen. Bodo Ramelow als Wahlsieger hat einen klaren Regierungsauftrag.Dieses Ergebnis jetzt ignorieren zu wollen, scheint mir unter dem Motto zu laufen: Haltet den Dieb. Das können wir auf keinen Fall mitmachen.
Riexinger: Dazu braucht man aber auch die CDU, sonst müsste man es mit der AfD machen. Das kann nicht der richtige Weg sein. Wenn die CDU nicht für Ramelow ist, dass muss sie für Neuwahlen sein. Die Abgeordneten der CDU haben natürlich Angst, ihr Mandat zu verlieren. Aber in diese Situation haben sie sich selbst gebracht. Da müssen sie durch.
Riexinger: Er hatte ja keine Alternative. Alle haben erklärt, sie regieren nicht mit der AfD und der Linken. Eine Minderheitsregierung war die einzige Option. Ramelow war ernsthaft schockiert, als der FDP-Mann mit den Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Das hatte sich niemand vorstellen können, wie die heftigen Reaktionen auf der Bundesebene auch bei CDU und FDP zeigen.
Riexinger: Die CDU bekommt einen heftigen Richtungskampf. In Sachsen-Anhalt würde vielleicht die Hälfte der CDU mit der AfD kooperieren. Selbst in Baden-Württemberg gibt es CDU-Landtagsabgeordnete, die ihr Unverständnis äußern, warum man sich nicht von der AfD mitwählen lassen darf. Die CDU hat natürlich noch ein weiteres Problem: Die wissen nicht, was nach Merkel folgen soll.
Riexinger: Nein, die Linke hat ein klares Programm. Die Linke hat sich auch mit der Geschichte der SED auseinandergesetzt. Für uns ist heute klar: Es gibt keinen Sozialismus ohne Demokratie. Es gibt keinen Sozialismus ohne Presse- und Meinungsfreiheit. Was ich aber auch nicht will, ist, dass wir eine Anpassung an die Mitte machen. Wir ändern uns nicht, um von den anderen Anerkennung zu bekommen. Die CDU ist ein politischer Gegner. Aber das ist etwas anderes, als dass man nicht mehr im demokratischen Feld steht. Dass die CDU uns mit der AfD, die die Demokratie abschaffen will und sich bei der faschistischen Sprache bedient, in ein Boot steckt, ist absurd.
Riexinger: Die Große Koalition hat kein gemeinsames Projekt für die Lösung für die zentralen Probleme in unserem Land. Deshalb wäre es nur konsequent, die Große Koalition zu beenden. Ich glaube nur noch nicht daran. Weder die CDU noch die SPD haben ein Interesse, die Koalition aufzulösen. Ich gehe davon aus, dass sie sich durchquälen.
Riexinger: Wir haben immer gesagt, dass wir bereit stehen, uns an der Regierung zu beteiligen, wenn linke Politik gemacht werden kann. Übrigens sehe ich die größten Probleme für ein rot-rot-grünes Bündnis bei den Grünen. Die Grünen haltensich alle Richtungen offen und koalieren am Ende vielleicht lieber mit der CDU. Bei der SPD sind die Schnittmengen durch die neuen Vorsitzenden größer geworden.
Riexinger: Es geht nicht um einen Boykott von Siemens. Staatsaufträge und Subventionen sollten grundsätzlich nur Firmen bekommen, die nicht das Klima kaputt machen. Das betrifft alle Unternehmen – deutsche wie ausländische. Dafür müssen wir die Vergaberichtlinien um ökologische Standards erweitern. Es gibt ja schon heute die Möglichkeit, Staatsaufträge an soziale und arbeitsrechtliche Standards zu koppeln.
Riexinger: Wir wollen einen sozial-ökologischen Wandel gestalten. Klar ist, der CO2-Ausstoß muss runter. Klar ist auch, es wird keinen guten Klimaschutz geben ohne soziale Gerechtigkeit. Es gibt aber auch keine soziale Gerechtigkeit ohne Klimaschutz, weil unter dem Klimawandel am meisten die leiden, die die geringsten Einkommen haben. Der Ansatz der Linken ist: Niemand soll gezwungen sein, zwischen seinem Arbeitsplatz und der Zukunft seiner Kinder zu entscheiden. Wir müssen Arbeitsplätze in anderen Bereichen sorgen, wenn zum Beispiel in den Kohlekraftwerken oder der Autoindustrie Jobs wegfallen.
Riexinger: Am deutlichsten wird es bei der Verkehrswende. Wir müssen die Automobilindustrie umbauen zu Mobilitätskonzernen. Wir brauchen intelligente Verbindungen zwischen Individualverkehr und Personennahverkehr. Wir wollen ja den öffentlichen Nahverkehr massiv ausweiten. Erst wenn das Angebot da ist, werden die Leute umstiegen. Aber auch in der Pflege, in Schulen und Kindergärten fehlen hunderttausende Stellen. Diese Berufe müssen wir viel attraktiver machen.
Riexinger: Für uns als Linke ist die Umverteilung zentral. Konkret sind wir für die Einführung einer Vermögensteuer von fünf Prozent. Für Privatleute soll sie für alle Vermögen oberhalb von einer Million Euro greifen, bei Betriebsvermögenüber 5 Millionen. Mit dieser Schwelle würden 80 Prozent der Klein- und Mittelständler nicht belastet. Außerdem wollen wir die Steuern für Reiche deutlich anheben.
Riexinger: In einem 400-PS SUV muss ja aber eine riesige Batterie eingebaut werden. Da wäre es aus Sicht des Klimaschutzes besser, der Wagen würde mit Diesel fahren. So können wir nicht weitermachen in der Autoindustrie. Langfristig sichert es mehr Arbeitsplätze, wenn wir frühzeitig umsteuern und in neue Konzepte investieren. Dafür muss der Staat aber klare Vorgaben machen, das machen die Konzerne nicht von selbst, so lange sie mit SUVs weiter Geld verdienen können.