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MÜNCHEN
Leitartikel: Kampf gegen Betonflut braucht klare Zielvorgaben
Volksbegehren gegen Flächenfraß in Bayern       -  Ein Unterstützer des Volksbegehrens «Betonflut eindämmen» sitzt mit einer Maske, die den damaligen Finanzminister Söder (CSU) darstellt, bei der Unterschriftenübergabe in einem Bagger vor dem bayerischen Innenministerium.
Foto: Matthias Balk (dpa) | Ein Unterstützer des Volksbegehrens «Betonflut eindämmen» sitzt mit einer Maske, die den damaligen Finanzminister Söder (CSU) darstellt, bei der Unterschriftenübergabe in einem Bagger vor dem bayerischen ...
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:37 Uhr

Vom Verfassungsgericht gestoppt, aber längst nicht vom Tisch: Mit dem nun gescheiterten Volksbegehren gegen den Flächenfraß in Bayern wird die Debatte über eine wirksame Begrenzung der Landschaftsversiegelung in allen Landesteilen nicht beendet sein. Zumal sich die von der CSU-Staatsregierung propagierte Freiwilligkeit bei der bodenschonenden Regionalentwicklung längst als wirkungslos erwiesen hat.

Über dieses Thema hinaus, wirft das Urteil allerdings auch Fragen zur Zukunft der Volksgesetzgebung in Bayern insgesamt auf: Das Gericht hatte sich ja nicht inhaltlich mit der in dem Entwurf geforderten Begrenzung des Flächenverbrauchs auf fünf Hektar Land pro Tag befasst. Sondern mit der grundsätzlichen Frage der Bedingungen für ein direkt-demokratisches Volksbegehren zum zweifellos komplexen Thema der Landesplanung.

Bislang stand bei der Zulassung von Volksbegehren vor allem die Frage im Raum, ob ein Vorschlag den bayerischen Staatshaushalt massiv belastet – und damit die zurecht bestehende Gesamtverantwortung des Landtags für die Staatskasse aushebeln würde. Diesmal wurde das Volksbegehren jedoch wegen inhaltlicher Bedenken einkassiert: Die Verfassungsrichter sahen in dem Vorstoß eine unbegründete Einschränkung der Planungshoheit der Kommunen, bemängelten vor allem fehlende Handlungsvorgaben für die Aufteilung der begrenzten Flächen-Zielvorgabe auf die Gemeinden. Diese Unschärfe, so die Argumentation des Gerichts, gebe der Regierung zuviel Spielraum bei der Flächenverteilung. Auf dieser vagen Grundlage jedoch könnten die Bürger die Folgen ihres Volksentscheids gar nicht überblicken.

Höhere Hürden für ein Volksbegehren

Eine Logik, die die rechtlichen Hürden für einen Volksentscheid zumindest für komplexe Sachverhalte nicht nur – wie bislang schon – formal, sondern auch inhaltlich extrem hoch legt. Ist es aber tatsächlich notwendig, dass ein Gesetz auf vielen Seiten unzählige Detail-Regeln für alle Eventualitäten auflistet – damit aber auch kaum mehr verständlich wird? Oder kann die Umsetzung nicht besser im nachgelagerten Vollzug viel einfacher und flexibler geregelt werden?

Zudem droht mit dem Geist des Richterspruchs eine Ungleichbehandlung zwischen Volksgesetzgebung und parlamentarischer Gesetzgebung: So verspricht etwa das kürzlich im Landtag verabschiedete Gesetz zur Abschaffung der privaten Straßenausbaubeiträge den Kommunen finanzielle Kompensation durch den Staat – ohne konkrete Handlungsvorgaben für die Aufteilung der Mittel festzuschreiben.

Jenseits der Frage der formalen Qualität des von Grünen, ÖDP und vielen Umweltverbänden betriebenen Volksbegehrens wird das Thema des fortschreitenden Flächenverbrauchs jedoch in jedem Fall auf der politischen Tagesordnung bleiben: Man muss nur mit offenen Augen durch Bayern fahren, um die Folgen der Zersiedelung vieler Landstriche mit gesichtslosen Betonschachteln oder Großparkplätzen vor Einkaufszentren zu sehen. Eine Entwicklung, die durch die von Markus Söder noch als Finanzminister durchgesetzte Aufhebung des so genannten „Anbinde-Gebots“ an bestehende Siedlungsflächen noch verschärft werden wird.

Betonflut mit Freiwilligkeit nicht zu stoppen

Mit Freiwilligkeit allein wird diese Betonflut nicht zu stoppen sein: Ohne klare Zielvorgaben gibt es nicht genügend Handlungsdruck. Zumal längst bekannt ist, was den Flächenfraß bremsen könnte: Mehr kommunale Zusammenarbeit bei der Flächenentwicklung etwa. Mehr Anreize, ungenutzte Flächen in den Ortskernen neu zu nutzen. Oder die politische Einsicht, dass kommunale Strukturschwäche durch Flächenexpansion allein nicht bekämpft wird.

Die CSU-Staatsregierung hat bislang jedenfalls keine überzeugende Antwort auf die Flächen-Frage. Ein einfaches „Weiter so“ reicht vielen Wählern aber nicht mehr aus: Denn eine Partei, die den Schutz der Heimat ständig auf den Lippen führt, sollte bei diesem Thema mehr zu bieten haben.

 
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