„Willkommen an diesem Sunday for Future“ rief der Überraschungssieger und grüne Parteichef Werner Kogler seinen Anhängern auf der grünen Wahlparty im Wiener Metropol-Kino zu. Er hat die Grünen wieder ins österreichische Parlament gebracht, hat nicht aufgegeben und bis zur Erschöpfung mit wenig Mitteln auf dem Land und in der Stadt gekämpft. Mehr als zehn Prozent haben die Grünen dazugewonnen und ein echtes Comeback gefeiert, nachdem sie 2017 nach einer Spaltung mit nur 3,8 Prozent der Stimmen aus dem Parlament geflogen waren, in Österreich gilt die Vier-Prozent-Hürde. Natürlich hat die Hochkonjunktur für das Klimathema ihnen geholfen. Doch dass ihr Ergebnis so gut ausfallen würde, kam für viele überraschend. Jetzt müssen sich die Grünen auf Koalitionsverhandlungen einstellen.
Ähnlich siegreich war Sebastian Kurz, der alte und wohl neue Kanzler der Republik. Seine „Liste Kurz-Neue Volkspartei“ legte mit etwa sechs Prozent kräftig zu. Fast 4000 vor allem junge Anhänger feierten ihn auf der türkisen Wahlparty euphorisch. Ihnen rief er zu: „Die Bevölkerung hat uns zurückgewählt.“ Und gestand, er habe so ein Ergebnis nicht erwartet und sei sprachlos. „Ich bin unendlich dankbar. Wir werden mit allen im Parlament vertretenen Parteien sprechen und hoffen auf eine ordentliche Zusammenarbeit.“
Die erträumten 40 Prozent wurden es zwar nicht, die sich wütende ÖVP-Mitglieder im Mai gewünscht hatten, als die Regierung Kurz wegen der Ibiza-Affäre von der Parlamentsmehrheit abgewählt worden war. Aber das schmälerte die Freude der Türkisen Wahlkämpfer im früheren Tanzlokal „Kursalon Hübner“ nicht, wo einst Walzerkönig Johann Strauß aufspielte. Hunderte adrette junge Leute in türkisen T-Shirts wurden durch das Wahlergebnis für ihr wochenlanges Engagement belohnt. Sie verteilten frühmorgens an belebten Kreuzungen Wiens Broschüren an Autofahrer. Ohne Rücksicht auf den Feinstaub. Und am Nachmittag verschenkten sie türkise Kugelschreiber an die U-Bahn-Passagiere.
Das Ergebnis der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei fiel so aus, wie auch ihr letzter Auftritt am Viktor-Adler-Markt am Freitag. Einen Verlust von zehn Prozent und mehr haben sie zu verkraften. Ein trauriges Häuflein mit Spitzenkandidat Norbert Hofer, dem früheren Innenminister und Scharfmacher Herbert Kickl, dem Wiener Spitzenkandidaten Dominik Nepp und der Abgeordneten Dagmar Berlakovich hatte schon am Freitagabend wenig enthusiastisch die rot-weiß-roten Fahnen zu den Klängen der Otti-Band geschwenkt. Die Zahl der Teilnehmer blieb weit hinter den Vorjahren zurück.
Die Affäre um den ehemaligen Vizekanzler und Parteivorsitzenden Heinz Christian Strache, die mit dem Ibiza-Video begonnen hat und jetzt mit einem großdimensionierten und auch strafrechtlich relevanten Spesenskandal endete, schlug ganz offensichtlich auf die Lust der Stammwähler, sich hinter die neue Parteiführung zu stellen.
„Ich bin es gewohnt, ein paar Steine im Rucksack mitzutragen“, sagte der neue Parteichef Hofer, als er wählte. Monatelang hatte er hemmungslos um die Fortsetzung der türkis-blauen Regierung gebuhlt. Sie kann Kurz keine reibungslose nächste Legislaturperiode garantieren, in der er seine politischen Ziele umsetzen kann.
Ob dies mit den Sozialdemokraten möglich wäre, ist für Kurz auch nicht kalkulierbar. Die Chemie zwischen Kurz und der erst seit kurzem amtierenden SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stimmt jedenfalls offensichtlich nicht.