In der Debatte über die Kassenzettel-Pflicht ab 1. Januar warnt Wirtschaftsminister Peter Altmaier vor „Milliarden zusätzlicher Bons“, die zu einer weiteren Belastung der Umwelt führen würden. Der CDU-Politiker sollte sich einmal an den Lieferanteneingang eines Supermarktes oder eines anderen Geschäftes stellen. Dort würde ihm schnell klar werden, dass die Kassenbons zwar ein Problem, angesichts von zahllosen Paletten mit Plastikmüll und Kartonbergen aber auch nur eine Marginalie sind. Was das mit dem Klimagipfel zu tun hat? Indirekt eine ganze Menge. Die UN-Klimakonferenz 2019 (COP 25) wie auch Altmaiers Zettel-Wirtschaft machen deutlich, dass sich unsere Politiker bei der Klimarettung mit Schnipseln aufhalten, während das große Ganze komplett aus dem Ruder läuft.
Während wir von Altmaiers Feldzug für die quittungsfreie Kassenzone bald hoffentlich nichts mehr hören müssen, sieht das mit dem globalen Klima leider ganz anders aus. Die Erderhitzung geht weiter, sie wird nach COP 25 möglicherweise noch schneller steigen als bislang prognostiziert. Denn der Gipfel von Madrid fällt mit seinem faulen Kompromiss noch hinter die Festlegungen des Pariser Abkommens zurück.
Schuld sind Regierungschefs wie US-Präsident Donald Trump, die es in der spanischen Hauptstadt wie Altmaier gemacht haben: Sie schauen auf die kleinen, in diesem Fall die nationalen Dinge. Das Gesamtbild, die internationale Entwicklung, geht völlig an ihnen vorbei.
Nationale Egoismen sorgten in Madrid dafür, dass keine harten Regeln eingeführt wurden, um das Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, nämlich die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu drücken. Boomende Industrienationen wie China und Indien wollen weiter wachsen, sie agieren gegen zu hohe Kohlendioxid-Einsparungsziele, weil die Geld kosten – und wenn sie dann wie jetzt in Madrid einem Kompromiss zustimmen, weiß niemand, ob sie ihn wirklich einhalten. Denn wirkungsvolle Kontrollen gibt es nicht.
Fatal ist, dass sich die reichen Staaten wieder nicht auf eine Unterstützung der armen Nationen einigen konnten. Mit einer schier unerträglichen Arroganz schauen sie zu, wie mittellose Länder von der Wucht des Klimawandels in die Knie gezwungen werden, wie sie nach Stürmen und Überschwemmungen wieder ein Stück Lebensgrundlage mehr verlieren.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) leitete in Madrid die deutsche Delegation und kämpfte mit ihrem Team offenbar bis zum Umfallen für Verbesserungen in der Abschlusserklärung. Deutschland trug die Abschlusserklärung gleichwohl mit, obwohl Schulze zum Start des Gipfels erklärt hatte, sie werde keinen faulen Kompromiss mittragen.
Die Bundesregierung mag vielleicht nicht so rigoros eigene Interessen vertreten, wie dies andere Ländern tun. Es hilft aber angesichts der mageren Ergebnisse von Madrid nichts, mit dem Finger auf Klimawandel-Ignoranten wie Trump oder den brasilianischen Staatschef Jair Bolsonaro zu zeigen. Immerhin hat Deutschland seine nationalen Klimaziele bis jetzt auch nicht eingehalten, und wenn einige Politiker sozusagen zum Ausgleich stolz auf den „Green Deal“ der Europäischen Union zeigen, dann ist das nur ein Ablenkungsmanöver. Europa soll bis 2050 ein klimaneutraler Kontinent werden? Selten so gelacht.
Es ist schon so oft gesagt und geschrieben worden, dass sich langsam Fatalismus und Verzweiflung an die Stelle der Hoffnung auf Besserung setzt, aber die Wahrheit bleibt: Wenn nicht schnell etwas passiert, wächst sich der Klimawandel zur globalen Katastrophe aus. Die Quittung fürs Nichtstun ist dann unüberschaubar groß. Viel größer also so ein paar blöde Kassenzettel.