Platzt die Große Koalition oder bleibt sie stabil? Diese Frage bestimmt mehr als alles andere seit Wochen das Geschehen im politischen Berlin. Kein Interview mit dem Spitzenpersonal von Union und SPD, keine Gesprächsrunde in den Hinterzimmern der Republik kommt derzeit ohne dieses Thema aus. Die Frage nervt nicht nur die Wählerinnen und Wähler, sie lähmt vor allem die Arbeit der Bundesregierung. In den vergangenen Tagen verlief die GroKo-Debatte etwas gemäßigter, denn eine der wichtigsten Protagonistinnen war im Urlaub. In dieser Woche allerdings sind die Ferien für Kanzlerin Angela Merkel vorbei. Der Erholungseffekt wird nicht lange anhalten, der Regierungschefin steht ein heißer Herbst bevor.
Im Grunde genommen dürfte die Eingangsfrage gar nicht gestellt werden. Die Wahlberechtigten haben im September 2017 einen Bundestag und damit, wenn auch nach zähem Ringen der Parteien, eine Regierung für vier Jahre gewählt. Auf dem Stimmzettel stand damals nichts von vorzeitigen Neuwahlen. Diese sollten die absolute Ausnahme sein - die Leichtigkeit, mit der bei Schwarz und Rot über eine vorzeitige Auflösung der Regierung geredet wird, ist geradezu fahrlässig.
Die SPD zerfließt nahezu vor Selbstmitleid
Schuld an der Dauerdebatte über ein vorzeitiges Platzen der Regierung haben Union und SPD selbst. Sie jammern über Zustände, die zu beseitigen sie selbst in der Hand haben. Die CDU etwa schafft es seit Monaten nicht, die Führungsfrage beizulegen. Annegret Kramp-Karenbauer ist zwar als Parteivorsitzende gewählt, neuerdings ist sie auch Verteidigungsministerin. Aber viele in der Union kümmert das wenig, sie kritisieren die Personalentscheidungen, bringen immer wieder neue Namen ins Spiel.
Die SPD zerfließt gerade nahezu vor Selbstmitleid. Erst jagte sie ihre Vorsitzende Andrea Nahles vom Hof, jetzt findet sich niemand Hochkarätiges, der ihr folgen will. Immerhin hat Rolf Mützenich erklärt, den Job des Fraktionsvorsitzenden dauerhaft übernehmen zu wollen. Darüber hinaus duckt sich das Spitzenpersonal bislang ebenso weg wie vor einem engagierten Wahlkampf im Osten, wo den Sozialdemokraten in Brandenburg und Sachsen eine heftige Klatsche droht. Ehemalige SPD-Granden wie Sigmar Gabriel oder Matthias Platzeck stützen ihre Partei nicht etwa, sondern reden sogar noch das Ende herbei.
Neuwahlen kann sich dieses Land nicht leisten
Statt herumzujammern und sich mit sich selbst zu beschäftigen, sollte Schwarz-Rot den Wählerauftrag erfüllen. Vorgezogene Neuwahlen kann sich dieses Land nämlich nicht leisten. Am 1. September sind die Wahlen im Osten, die das politische Gefüge laut der bisherigen Umfragen gehörig durcheinanderwirbeln werden und deshalb eine starke, ordnende Hand in Berlin verlangen. Am 20. September tagt das Klimakabinett, das bahnbrechende Beschlüsse unter anderem für eine CO2-Steuer fassen wird.
Überhaupt das Klima: Dürre, Stürme, Wasserknappheit sind Herausforderungen, die von der Politik schnell beantwortet werden müssen. Weitere Stichwörter in diesem Zusammenhang sind Plastikmüll, Elektromobilität, Wirtschaftsflaute, Iran-Konflikt, Donald Trump und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020.
Von Kanzlerin Merkel sind schon vielfach Machtworte gefordert worden. Dabei ging es um einzelne Themen und es wird weiterhin nötig sein, dass sie ihre Richtlinienkompetenz wahrnimmt. Vor allem anderen aber muss sich Merkel mit ihrem Einfluss bei Union und SPD dafür einsetzen, dass diese Regierung wie gewählt bis 2021 im Amt bleibt.