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London
Kommentar: Kein Mitleid für May
Brexit       -  Theresa May, Premierministerin von Großbritannien, während einer Debatte im Parlament.
Foto: House Of Commons | Theresa May, Premierministerin von Großbritannien, während einer Debatte im Parlament.
Katrin Pribyl
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:17 Uhr

Premierministerin Theresa May hat eine historische Schlappe erlitten – und dennoch verdient sie keinerlei Mitleid. Dass das Land in einer tiefen Krise steckt und derzeit niemand weiß, wie es weitergehen soll, ist vor allem der Regierungschefin selbst zuzuschreiben. 

Es war eine Niederlage mit zweijähriger Vorlaufzeit. So lange schon zeichnete sich das Scheitern nämlich ab – seit Theresa May Ende März 2017 den auf zwei Jahre befristeten Austrittsprozess eingeleitet hat. Zu früh. Völlig unvorbereitet. Mit wehenden Fahnen in den Untergang. Die Regierung bot lange keine Vision, geschweige denn einen Plan, wie der Brexit konkret aussehen könnte. Vielmehr zerfleischten sich die Konservativen parteiintern vor den Augen der angewiderten Bevölkerung. 

Warnungen ignoriert

Die Realität wurden genauso ignoriert wie die sozialen Herausforderungen des Landes oder die Warnungen aus der Wirtschaft, die unaufhörlich auf die Bedeutung von Binnenmarkt und Zollunion hinwies. Derweil ließ sich May aus machtpolitischen Gründen und ohne Rücksicht auf das Wohl der Bevölkerung dazu verleiten, rote Linien zu ziehen, um die Brexit-Ideologen zufrieden zu stellen und in der Downing Street bleiben zu können.

Mit ihrer Taktik aber hat sie vor allem die Träumereien der Hardliner im Lala-Land befeuert und alle moderaten Kräfte im Parlament vergrault. Pro-EUler wandten sich unterdessen erschrocken ab angesichts Mays harter Haltung gegenüber Einwanderern. Der Schlachtruf der Brexit-Cheerleader, man werde die Kontrolle über die Grenzen zurückgewinnen, sollte denn auch ihr Handeln bestimmen. Doch wer die Personenfreizügigkeit ablehnt, kann eben auch nicht Mitglied im gemeinsamen Binnenmarkt bleiben. Darauf hat die EU zurecht bestanden, nur hört auf der Insel traditionell kaum jemand zu, wenn die Stimmen in Brüssel laut werden.

Keine Kompromisse

May hielt stur und starrsinnig an ihren Prinzipien fest, ohne auch nur daran zu denken, die gesetzten Parameter zu verschieben. Das zeugt alles andere als von politischer Klugheit. Den Brexit zu vollbringen wäre unter keinen Umständen ein Leichtes gewesen, doch für mittelmäßige Politiker, wie Großbritannien sie derzeit sowohl auf Regierungsseite als auch in der Opposition bietet, scheint ein geregelter, den Schaden minimierender EU-Austritt ein Ding der Unmöglichkeit. 

Unterhaus       -  Premierministerin Theresa May spricht zum Abschluss der Debatte vor der Abstimmung über ihre Brexit-Vereinbarung.
Foto: House Of Commons/PA Wire | Premierministerin Theresa May spricht zum Abschluss der Debatte vor der Abstimmung über ihre Brexit-Vereinbarung.

Das Brexit-Votum hat das Land in eine tiefe Krise gestürzt und niemand weiß, wie diese überwunden werden kann. May jedenfalls hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie dieser Aufgabe nicht gewachsen ist. Die Gräben in der Gesellschaft sind tiefer als je zuvor. Und dass sie, die eine Minderheitsregierung anführt, in naher oder ferner Zukunft Unterstützung aus der Opposition gewinnen kann, um einen nachgebesserten Deal durchs Parlament zu bekommen, scheint ausgeschlossen, wenn sogar innerhalb der konservativen Partei Anarchie herrscht.

Parteiinteressen vor nationalen Interessen

Zu den großen Fehlern der Regierungschefin gehört, dass sie es während ihrer Amtszeit versäumt hat, parteiübergreifend wichtige Allianzen zu bilden. Schlimmer noch: Sie hat es nicht einmal versucht. Parteiinteressen standen stets über den Interessen der Nation. Selbst in den vergangenen Wochen, nachdem sie die Abstimmung verschoben hatte, um für ihren Deal zu werben, ging sie keinen Schritt auf Labour zu. Angeblich kam keine Anfrage aus Downing Street, wie die Opposition bekannt gab. Das war fahrlässig von Theresa May und hat sich nun zum Grande Finale, dem wichtigsten Tag in der Amtszeit der Premierministerin gerächt. Wie lange May in dieser schwachen Position noch durchhalten kann, ist ungewisser denn je. 

 
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