Die Debatte über die Neuregelung der Organspende geriet zu einer Sternstunde des Bundestages. Fernab aller Partei-, Fraktions- und Koalitionszwänge diskutierten die Abgeordneten mehr als zwei Stunden lang über ein Thema, das alle Bürgerinnen und Bürger betrifft. Soll jeder, der dem nicht ausdrücklich widerspricht, nach seinem Tod zum Organspender werden?
Oder soll das bisher gültige System im Prinzip erhalten, aber verbessert und erweitert werden? So dass Herz, Leber oder Nieren weiter nur denjenigen entnommen werden, die sich zu Lebzeiten eindeutig dazu bekannt und das auch eindeutig dokumentiert haben - etwa mit einem Spenderausweis oder durch einen Eintrag in ein neu zu schaffendes Online-Register.
Summe persönlicher Erfahrungen
Widerspruchslösung oder Zustimmungslösung also standen zur Abstimmung an, und keiner der Redner machte es sich leicht. Für sie und jeden einzelnen Abgeordneten speiste sich die Entscheidung aus der Summe persönlicher Erfahrungen. Aus Erfahrungen mit dem Leiden und Sterben von Angehörigen, auch aus dem Nachdenken über den unausweichlichen eigenen Tod. Es flossen religiöse Überzeugungen, ethische Prinzipien, individuelle Auffassungen von Recht und Moral, die Ergebnisse nächtelanger Grübeleien in die Überlegungen ein. Dazu unzählige Gespräche mit Betroffenen, Interessenverbänden und Bürgern.
Manche Meinung hat sich im Lauf der Zeit geändert. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn von der CDU war einmal gegen die Widerspruchslösung, die er dann mit anderen, allen voran SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, auf den Weg brachte. Engagiert haben sie für ihren Gesetzentwurf geworben, ja gekämpft. Quer durch die politischen Lager fanden sich Unterstützer für die Widerspruchslösung. Aber auch für die erweiterte Zustimmungslösung kämpfte eine denkbar bunte Koalition.
Nicht alles darf beim Alten bleiben
Am Ende dieser leidenschaftlich und doch fair ausgetragenen Auseinandersetzung überwog nun die Skepsis gegen die weitreichende Widerspruchslösung. Doch die Entscheidung für die Zustimmungslösung darf nicht bedeuten, dass alles beim Alten bleibt. Nun muss der Weg, das System effektiver und nachhaltiger zu machen, mit aller Entschlossenheit beschritten werden.
Die Befürworter der Zustimmungslösung müssen sich jetzt daran messen lassen, ob die Zahl der Spenderorgane wirklich erhöht und die Situation der Betroffenen deutlich verbessert werden kann. Wenn sich zeigt, dass das nicht gelingt, muss der Bundestag eine neue Entscheidung treffen.
Allein die Debatte hat allerdings dafür gesorgt, dass sich unzählige Bürger mit der Frage der Organspende auseinandergesetzt haben. Schon das wird hoffentlich dazu führen, dass die Bereitschaft zur lebensrettenden Organspende im Land deutlich steigt.