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Berlin
Klingbeil: "Die Politik der AfD vernichtet Arbeitsplätze"
Warum der SPD-Generalsekretär vor den Wahlen in Sachsen und Brandenburg zuversichtlich ist und wie er die Aussichten für eine Fortsetzung der Groko beurteilt.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: 'Die Frage, wie es in Berlin weitergeht, spielt in den ostdeutschen Wahlkämpfen, so wie ich das erlebe, kaum eine Rolle.'
Foto: Christoph Schmidt, dpa | SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: "Die Frage, wie es in Berlin weitergeht, spielt in den ostdeutschen Wahlkämpfen, so wie ich das erlebe, kaum eine Rolle."
Bernhard Junginger
 und  Christian Grimm
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:29 Uhr

Lars Klingbeil, 41, stammt aus Munster in Niedersachsen und ist Sohn eines Berufssoldaten. Während seines Studiums der Politik, Soziologie und Geschichte arbeitete er im Wahlkreisbüro des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Seit Dezember 2017 ist er Generalsekretär der SPD. Im Interview warnt er vor Abschottung, Hass und Hetze.

Frage: Herr Klingbeil, Sie waren gerade im Wahlkampf im sächsischen Görlitz, wo die SPD bei den Kommunalwahlen 2,3 Prozent holte. Wie schlimm wird es für die SPD bei den Landtagswahlen am 1. September?

Lars Klingbeil: Wir kommen jetzt in die entscheidende Phase des Wahlkampfes. Was ich merke, wenn ich an den Haustüren und auf den Marktplätzen unterwegs bin, ist, dass sozialdemokratische Themen im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße liegen. Da geht es darum, ob die Schulen funktionieren, die Straßen halbwegs in Ordnung sind, oder ob es ein schnelles Internet und Mobilfunknetz gibt. Letztlich geht es also um die Handlungsfähigkeit des Staates. Martin Dulig und die SPD in Sachsen kümmern sich um diese Themen.

Ihr Wahlkampf richtet sich insbesondere gegen die AfD, gerade auch in Brandenburg. Was setzen Sie Ihr entgegen?

Klingbeil: In Brandenburg geht es auf den letzten Metern ganz klar um die Entscheidung: SPD mit einem erfolgreichen und beliebten Ministerpräsident Woidke oder AfD. Wir müssen zeigen, dass die AfD spaltet und hetzt, und auf der anderen Seite die SPD die Partei ist, die sich um den Zusammenhalt in der Gesellschaft kümmert. Dafür haben wir am Montag im Präsidium auch ein sehr klares Sieben-Punkte-Papier gegen Rechts verabschiedet. Wir fordern zum Beispiel ein länderübergreifendes Frühwarnsystem für rechte Gefährder, eine konsequente Verfolgung strafbarer rechter Inhalte in sozialen Netzwerken und noch mehr demokratische Bildung in den Schulen. Wir stellen uns entschieden gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus und wollen die demokratische Ordnung und den Zusammenhalt stärken und verteidigen. Denn die AfD und andere rechte Hetzer behaupten ja immer wieder gern, dass dieser Staat nicht funktioniert.

Gelingt Ihnen das?

Klingbeil: Ich erlebe in Gesprächen, dass die Menschen in Brandenburg sich Sorgen machen, wohin die internationale Abschottung führt, die die AfD propagiert. Es geht darum, ob sich große internationale Firmen, die Arbeitsplätze schaffen, noch in Bundesländern ansiedeln, in denen die AfD stark ist. Oder ob solche Unternehmen sagen, da gehen wir nicht hin, wo eine solche rechtspopulistische Kraft so stark ist. Die Politik der AfD vernichtet Arbeitsplätze. Wer sein Kreuz bei der AfD macht, dem muss klar sein, dass er damit Abschottung, Hass und Hetze wählt. Das sagen wir den Menschen sehr deutlich. Und darum sehe ich die Chance, jetzt noch weiter zuzulegen, auch in Sachsen.

Was sagen Sie Wählern in den neuen Ländern, die im Moment gar nicht wissen, was sie inhaltlich und personell bekommen, wenn sie jetzt die SPD wählen?

Klingbeil: Die SPD ist in allen drei ostdeutschen Ländern, die in diesem Herbst wählen, ja personell und inhaltlich klar aufgestellt. Dietmar Woidke regiert in Brandenburg sehr erfolgreich, hat viel erreicht, zum Beispiel was Zusagen für den Strukturwandel nach dem Kohle-Ausstieg betrifft. Auch Martin Dulig in Sachsen und Wolfgang Tiefensee in Thüringen sorgen für neue Arbeitsplätze und stärken den Zusammenhalt in ihren Ländern. Die SPD setzt auf konstruktive Politik, die AfD auf Hetze und Spaltung. Die Frage, wie es in Berlin weitergeht, spielt in den ostdeutschen Wahlkämpfen, so wie ich das erlebe, kaum eine Rolle.

Viele Bürger haben offenbar schon den Eindruck, dass die SPD im Moment vor allem mit sich selbst beschäftigt ist. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen schlechten Umfrageergebnissen der SPD und der Neuaufstellung der Partei im Bund?

Klingbeil: Ich bin im Wahlkampf bisher nicht einmal auf die Frage nach dem Parteivorsitz angesprochen worden, da geht es eher darum, ob das Schulklo repariert wird oder ob es genügend Lehrer gibt. Um genau diese Fragen muss die SPD sich kümmern.

Bisher stammen die Bewerber für den Parteivorsitz eher aus der zweiten Reihe. Warum halten sich die prominenten Genossen so auffällig zurück?

Klingbeil: Ich bin da gelassen, wir haben ja auch einen klaren Zeitplan. Bis zum 1. September haben alle Zeit sich zu bewerben. Ich bin mir sicher, dass neben den tollen Bewerbern, die jetzt schon auf dem Platz sind, noch einige dazukommen. Und dann wird ein spannendes Rennen starten.

Kommt da noch was? Auch Sie selbst zögern ja...

Klingbeil: Für mich ist wichtig, dass wir jetzt ein Verfahren haben, bei dem die Mitglieder das Wort haben und nicht wie in den vergangenen Jahrzehnten in Hinterzimmern entschieden wird. Und auch ich werde mich dann bis zum 1. September entscheiden.

Wenn Sie es machen, werden Sie sich dann für Ihre Bewerbung auch eine Partnerin hinzuholen?

Klingbeil: Ich habe sehr stark dafür geworben, dass eine Teamlösung möglich ist, das halte ich für richtig.

Was ist für die SPD im Moment eigentlich wichtiger: Die inhaltliche Neuausrichtung oder die Kür einer neuen Parteispitze?

Klingbeil: Das kann überhaupt nicht getrennt werden. Wir werden jetzt einen spannenden Wettbewerb der besten Köpfe und Ideen erleben. Die SPD war immer dann gut, wenn Inhalte und Personen auch zusammengepasst haben.

Teilen Sie die Kritik mancher Genossen, dass das gewählte Verfahren zur Wahl der neuen Vorsitzenden zu kompliziert und zu langwierig sei?

Klingbeil: Nein, es ist genau richtig, dass wir das jetzt so machen, dass wir die Mitglieder einbinden, dass wir auf Regionalkonferenzen vor Ort diskutieren und uns Fragen stellen. Es gibt immer Kommentierungen von der Seitenlinie, aber ich bin überzeugt, dass jetzt unsere rund 426 000 Parteimitglieder das Wort haben müssen.

Sie haben mit Ihrer Aussage, dass Sie offen für eine rot-rot-grüne Koalition auf Bundesebene sind, viel Aufregung ausgelöst. Hat Sie das überrascht?

Klingbeil: Ich habe nur das gesagt, was wir seit Jahren sagen. Wir wollen eine starke SPD, dafür kämpfen wir und nach einer Wahl schauen wir, mit wem es die größten inhaltlichen Überschneidungen gibt. Selbstverständlich gehört es dann auch dazu, zu prüfen, welche Gemeinsamkeiten es mit Grünen und Linkspartei gibt.

Ihre Aussagen wurden deshalb so heiß diskutiert, weil die SPD sichtbar an der großen Koalition leidet. Wäre der SPD ein linkes Bündnis nicht vom Herzen lieber als Schwarz-Rot?

Klingbeil: Das muss man immer an Inhalten festmachen. Wir hatten jetzt in Bremen diese Situation, dass sich die Bürger eine soziale Perspektive wünschten, die mit der Union, die etwa Wohnungen privatisieren wollte, nicht zu haben war. In den anderen Bundesländern gibt es andere Gemengelagen, sodass ich nur ganz grundsätzlich ausschließen kann, dass wir mit der AfD koalieren. Mit diesen Spaltern und Hetzern wollen wir nichts zu tun haben. Und diese klare Abgrenzung würde ich mir auch von der Union wünschen, die ja doch auch immer wieder einige Lockerungsübungen in Richtung AfD macht. Da gibt es ja prominente Politiker, die sagen: können wir uns doch vorstellen, dass es irgendeine Form der Zusammenarbeit gibt.

Die SPD will ja am Jahresende Bilanz ziehen über das Regieren mit CDU und CSU. Wie fällt Ihre Zwischenbewertung aus? Sind Sie zufrieden?

Klingbeil: Ich muss schon sagen, dass gerade unsere Minister gute Arbeit machen, vom Sozialen Arbeitsmarkt bis zum Starke-Familien-Gesetz. Wir haben vieles von dem umgesetzt, was wir in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt haben. Bei den Unionsministern vermisse ich aber manchmal diesen Tatendrang.

Was muss die Groko bis Dezember noch gewuppt kriegen, damit Sie einen Sinn darin sehen weiterzumachen?

Klingbeil: Es gibt jetzt noch zwei große Punkte, die uns wichtig sind. Da ist das Klimaschutzgesetz, mit dem wir einen glaubwürdigen, ambitionierten und effizienten Klimaschutz auf den Weg bringen wollen. Und die Grundrente, mit der wir eine deutliche Verbesserung der Lebensverhältnisse von drei Millionen Menschen, drei Viertel davon sind Frauen, erreichen wollen. Da muss die Union sich jetzt bewegen, und da muss die Regierung auch zeigen, dass sie lebendig ist. Das ist dann für die Halbzeitbilanz ganz wichtig.

Und wenn keine Einigung gelingt, platzt dann die Koalition? Die Union will die Grundrente ja nur denen zahlen, die wirklich bedürftig sind...

Klingbeil: Bei der Grundrente geht es um Gerechtigkeit und die Frage, ob Menschen, die lange gearbeitet haben, in Würde alt werden können. Unser Konzept sieht deshalb keine Bedürftigkeitsprüfung vor und dafür werden wir mit guten Argumenten kämpfen.

 
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