Der Test ist einfach, doch die Entscheidung war umso schwieriger. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten, gesetzlichen Kassen und Kliniken erlaubt künftig, dass der ethisch höchst umstrittene Bluttest auf ein Down-Syndrom des ungeborenen Kindes künftig von den Krankenkassen gezahlt werden muss. Allerdings soll der Test ausdrücklich keine Standardleistung, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen übernommen werden: Kassenleistung ist der Pränataltest nur für Frauen mit Risikoschwangerschaften.
Ergebnisoffene Beratung
Durch die „sehr engen Voraussetzungen“ werde klar und eindeutig geregelt, dass der Bluttest nicht als ethisch unvertretbares „Screening“ eingesetzt werde, sagte der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken. Die Beratung durch den Arzt soll „ausdrücklich ergebnisoffen“ sein. Dabei soll auch auf das jederzeitige „Recht auf Nichtwissen“ von Testergebnissen hingewiesen werden. In Anspruch genommen werden kann die neue Kassenleistung aber noch nicht so schnell. Zunächst muss – voraussichtlich Ende 2020 – der G-BA noch beschließen, wie eine dazugehörige Infobroschüre ausgestaltet werden soll. Auch das Bundesgesundheitsministerium muss die Beschlüsse wie üblich billigen.
Der Test ist für Mutter und Kind risikolos: Im Blut der werdenden Mutter finden sich außer ihrer eigenen DNA auch Bruchstücke des kindlichen Erbguts, anhand derer sich ermitteln lässt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie 21 ist. Menschen mit Down-Syndrom haben in jeder Zelle ein Chromosom mehr als andere, also 47 statt 46. Das Chromosom 21 ist dreifach vorhanden. Bis vor wenigen Jahren war eine Bestimmung einer Trisomie nur mit Hilfe einer Entnahme von Mutterkuchengewebe ab der zwölften Schwangerschaftswoche oder einer Fruchtwasseruntersuchung ab der 16. Schwangerschaftswoche möglich. Diese deutlich gefährlicheren Tests werden seit langem von der Kasse bezahlt. Auf dem Markt ist der Bluttest bereits seit 2012, allerdings musste er privat bezahlt werden. Die Kosten für den Pränataltest auf Trisomie 21 der Firma Lifecodexx liegen bei 129 Euro. Die Testgenauigkeit soll 99,8 Prozent betragen. Zur Absicherung müssen weitere Tests vorgenommen werden.
In Deutschland wird etwa eines von 800 Kindern mit Down-Syndrom geboren, die Wahrscheinlichkeit nimmt mit dem Alter der Mutter zu. Im Schnitt sind Frauen beim ersten Kind heute 29,6 Jahre alt – 1980 waren sie noch 25,2 Jahre alt. Befürchtet wird, dass durch den Bluttest die Zahl der Abtreibungen ansteigen könnte. Stephan Pilsinger, CSU-Abgeordneter und Arzt, sagt: „Für mich war das eine ganz schwierige Abwägung, denn manche Quellen sagen, dass 90 Prozent der Mütter mit der Diagnose ein behindertes Kind abtreiben.
Trotzdem unterstützt er die Entscheidung. „Denn die Fruchtwasseruntersuchung ist viel riskanter.“ Pilsinger fordert allerdings zugleich, Familien mit behinderten Kindern stärker zu unterstützen. Unter anderem sollen Familien, die ein Kind mit Behinderung betreuen, höhere Rentenansprüche und eine verlängerte Elternzeit erhalten. Auch die finanzielle Unterstützung des Staates solle ausgebaut werden.
Entscheidung begrüßt
Claudia Wiesemann vom Deutschen Ethikrat begrüßt die Entscheidung des G-BA. Nur wenn Voruntersuchungen Anhaltspunkte auf Trisomie 21 lieferten, sei der Test sinnvoll. „Man würde sonst zu viele junge Frauen durch ein positives Testergebnis unnötig beunruhigen“, sagt die Medizinethikerin. „Deshalb ist auch die begleitende Beratung so wichtig, um die Bedeutung des Testergebnisses richtig einzuschätzen.“