Die Vorweihnachtszeit ist angebrochen, aber besinnlich geht es im Vereinigten Königreich keineswegs zu. In den Straßen Londons sowie des restlichen Landes hängt zwar mittlerweile die festliche Beleuchtung, geschmückte Bäume zieren Geschäfte und so langsam dekorieren auch die Menschen ihre Häuser mit Weihnachtsschmuck. Nur, dieses Jahr müssen die Engel und Mistelzweige mit Wahlkampfpostern konkurrieren, die zunehmend hinter den Fensterscheiben auftauchen.
„Ich wähle Labour“, steht da etwa auf rotem Hintergrund. Oder das Konterfei von Premierminister Boris Johnson prangt auf einem Plakat, darunter „Get Brexit done“, der Slogan des Konservativen, mit dem er die Brexit-frustrierten Briten überzeugen will, dass nur mit ihm in der Downing Street der EU-Austritt bis Ende Januar über die Ziellinie gebracht werden kann. Abends in der kalten Dunkelheit klopfen Kampagnenhelfer an die Türen der Menschen und werben dafür, am 12. Dezember für ihre jeweilige Partei zu stimmen.
Begeisterung will in der abstimmungsmüden Bevölkerung nicht aufkommen. Das spielt vor allem Johnson, dessen Botschaft an die Europaskeptiker auf der Insel ausgerichtet ist, in die Hände. Bislang lief es für den konservativen Regierungschef wie gewünscht. Wäre da nicht Jennifer Arcuri. Die US-Unternehmerin tourt seit einigen Tagen durch die Fernsehstudios und Zeitungsredaktionen auf der Insel, um ihre Sicht auf Boris Johnson zu schildern. Laut Medien soll sie eine Affäre mit dem damaligen Bürgermeister Londons gehabt haben.
Vollends bestätigt hat sie das nicht. Aber, das wird allzu deutlich, sie fühlt sich tief verletzt. „Ich bin schrecklich untröstlich, weil du mich beiseite geworfen hast, als wäre ich ein kleines Monster“, wandte sich Arcuri in einem Interview direkt an Johnson. Sie fühle sich von dem Politiker behandelt wie „ein flüchtiger One-Night-Stand“. Er habe sie „mit gebrochenem Herzen“ und „gedemütigt“ zurückgelassen, sagte sie, nachdem Johnson nach eigenen Angaben seit Wochen ihre Textnachrichten und Anrufe ignoriere.
Könnte Arcuri dem Konservativen gefährlich werden? Immerhin, es geht nicht nur um verletzte Gefühle. Die Geschäftsfrau steht im Zentrum eines mutmaßlichen Interessenskonflikts, der in die Zeit von Johnson als Londons Stadtoberhaupt zurückreicht. Er hat Arcuri mehrmals auf offizielle Reisen ins Ausland mitgenommen und soll ihr zehntausende Pfund aus öffentlichen Fördergeldern beschafft haben, obwohl die Internet-Unternehmerin nicht die erforderlichen Bedingungen erfüllte.
Derzeit sieht es nicht danach aus, als ob die Wähler sich von solchen Geschichten umstimmen lassen. Aktuellen Umfragen zufolge führen die Tories mit deutlichem Abstand. Sie stehen bei bis zu 42 Prozent, während Labour nur auf 26 bis 29 Prozent der Wählerzustimmung kommt. Die Liberal-Demokraten liegen bei rund 13 Prozent.