Der österreichische Mieter des Bauernhofs in den Niederlanden, in dem eine Familie völlig isoliert lebte, lehnt den Kontakt zu Behörden seines Heimatlandes ab. "Er wünscht keinen Kontakt zur österreichischen Botschaft in Den Haag und will keine konsularische Hilfe", teilt das Außenministerium in Wien mit.
In Österreich weckt das Schicksal der isolierten Familie die Erinnerung an den Elektrotechniker Josef Fritzl, der seine Tochter Elisabeth 24 Jahre lang in einem unterirdischen Verließ gefangen hielt und sexuell missbrauchte.
Die eigene Tochter vergewaltigt - Sieben Kinder gezeugt
1984 hatte er die damals 18jährige in den Keller gelockt, betäubt und gefesselt. Hinter einer Bücherwand in seinem Haus verbargen mehrere Stahltüren den Zugang zu einem selbstgebauten, schallisolierten Kellerverließ von nur 60 qm Größe. Fritzl zeugte mit seiner Tochter Elisabeth sieben Kinder, von denen drei bis zum 29. April 2008 dort gefangen lebten.
Den Nachbarn erzählte Fritzl, seine Tochter sei in eine Sekte eingetreten und habe nacheinander vier weitere Kinder vor seiner Haustüre abgelegt. Sie zog er mit seiner Frau groß. Bei den Behörden hatte er seine Tochter Elisabeth als vermisst gemeldet. Das Verbrechen kam 2008 ans Tageslicht, als Fritzl mit einem kranken Kind und seiner Tochter ein Krankenhaus aufsuchen musste. Als nach der Identität des Kindes, gefragt wurde, bat Elisabeth um Hilfe. Damals wurde klar, welch ungeheures Verbrechen begangen worden war.
Abnormer Rechtsbrecher
Fritzl wurde am 19. März 2009 von einem Schwurgericht in einem spektakulären Prozess zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und Einweisung in eine Haftanstalt für abnorme Rechtsbrecher verurteilt. Kindesmord durch unterlassene Hilfe, Sklaverei, Inzest und fortgesetzte Vergewaltigung waren die Straftatbestände.
Eins der Kinder war unmittelbar nach der Geburt im unterirdischen Verließ an einer Atemwegsinfektion erkrankt und nach nur drei Tagen verstorben. Fritzl verbrannte die sterblichen Überreste im Ofen seiner Heizung.
Nach dem Prozess wurde der Keller des Hauses zubetoniert. 2016 wurde das Haus an einen Gastwirt verkauft. Die Tochter Elisabeth und ihre Kinder bekamen neue Namen und zogen in ein anderes Bundesland. Bisher konnten sie verhindern, in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden.
Da der inzwischen 84-jährige Josef Fritzl im Gefängnis immer wieder Angriffen der Mitgefangenen ausgesetzt war, änderte er 2017 seinen Namen in Fritz Mayrhoff. Als Häftling mit der Nummer HNR 60932 verbüsst seine Strafe im Hochsicherheits-Gefängnis für besonders schwere Fälle in Krems-Stein. Angeblich mache sich bei ihm Altersdemenz bemerkbar.
Der Fall Kampusch war gerade zwei Jahre her
Die Befreiung Natascha Kampuschs aus der jahrelangen Gefangenschaft eines Entführers war erst zwei Jahre her, als der Fall Fritzl Österreich 2008 erneut in den Fokus der Weltöffentlichkeit brachte. Das Verbrechen wurde in den folgenden Jahren zum Gegenstand von Literatur, Theater und Film. Dr. Mariele Schulze Berndt
Derweil konzentrieren sich die Ermittlungen im aktuellen mysteriösen Fall nun auf den österreichischen Mieter des Bauernhofs. Der 58-jährige Josef B. steht unter Verdacht der Freiheitsberaubung und bleibt weiter in Haft. Der Haftrichter in Groningen bestätigte den Haftbefehl und ordnete eine Verlängerung der Untersuchungshaft um zunächst zwei Wochen an. Mit Ausnahme seines Anwalts dürfe er keinerlei Kontakt zur Außenwelt haben, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Vater und sechs Kinder sollen in kleinem Raum gehaust
Der abgelegene Hof im ostniederländischen Dorf Ruinerwold wurde von einer Spezialeinheit der Polizei umfassend durchsucht. "Wir erfassen alle Räume digital, so dass wir eine vollständige Übersicht bekommen", teilte die Polizei der Provinz Drenthe am Donnerstag mit.
In dem Hof sollen ein Vater und seine sechs jetzt erwachsenen Kinder seit 2010 in einem kleinen Raum gehaust haben. Beweise oder Indizien, dass sie dort gegen ihren Willen festgehalten wurden, wurden aber bislang nicht bekannt.
Es gibt Hinweise, dass beide Männer einer Sekte angehört haben. Niederländische Medien berichten, dass die Familie Mitglied der "Vereinigungskirche" des Koreaners Moon sei. Auch der Österreicher solle dort Mitglied sein. Dem aber hatte die Sekte in Österreich widersprochen, wie die Nachrichtenagentur APA meldete.
Der Bruder des Österreichers sagte der «Kronen Zeitung», dass Josef B. bei einer Sekte gewesen sei. "Er war bei einer Sekte, ist sich selber besser vorgekommen als der Jesus", zitiert die Zeitung den Bruder. Er habe seit zehn Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm.
Der Österreicher und der Vater der Familie waren nach Angaben einer früheren Nachbarin bereits seit gut 15 Jahren befreundet. Sie waren gemeinsam Inhaber eines Spielzeugladens im nahe gelegenen Zwartsluis. Das Geschäft, das seit 2010 geschlossen ist, war am Mittwochabend von der Polizei durchsucht worden. Auch ein weiterer Betrieb des Vaters war durchsucht worden. Ergebnisse der Durchsuchungen wollte die Polizei zunächst nicht mitteilen.
Sohn hatte um Hilfe gebeten
Hinweise zu der Familie kommen auch von den Einträgen eines Sohnes auf den Sozialen Medien. Der 25-Jährige hatte in der Dorfkneipe um Hilfe gebeten und so den Stein ins Rollen gebracht. Er war nach einer Pause von mehr als neun Jahren plötzlich wieder aktiv im Internet. Seinen Einträgen nach zu urteilen, hatte er den Auszug aus dem Hof lange geplant. Die Mutter der Familie soll nach seinen Angaben bereits 2004 gestorben ein.
Mit Informationen von dpa