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Madrid
Hartes Urteil im „Jahrhundertprozess“ gegen Katalanen
Zehntausende von Unabhängigkeitsbefürwortern in der spanischen Region gingen auf die Straßen und forderten die Freilassung der Verurteilten.
Ralph Schulze
 |  aktualisiert: 18.10.2019 02:10 Uhr

Spaniens Oberster Gerichtshof verhängte lange Haftstrafen gegen neun Angeklagte, die für die illegalen Unabhängigkeitsschritte Kataloniens vor zwei Jahren verantwortlich gemacht wurden. Drei weitere Beschuldigte kamen mit Geldstrafen und einem politischen Betätigungsverbot davon.

Die Reaktion auf die langen Gefängnisstrafen für die katalanischen Separatistenführer ließ nicht lange auf sich warten. Schon kurz nachdem Spaniens Oberster Gerichtshof am Montag das Urteil im „Jahrhundertprozess“ verkündet hatte, gingen zehntausende von Unabhängigkeitsbefürwortern in der spanischen Region Katalonien auf die Straßen und forderten die Freilassung der Verurteilten. In Barcelona und anderen katalanischen Orten blockierten Demonstranten stundenlang mehrere Straßen und Bahnstrecken.

Am Morgen hatte die Obersten Richter nach monatelangen Beratungen ihre Entscheidung verkündet: Neun katalanische Politiker, die für die illegalen Unabhängigkeitsschritte Kataloniens vor zwei Jahren verantwortlich gemacht wurden, erhielten Haftstrafen zwischen neun und dreizehn Jahren. Drei weitere Beschuldigte kamen wegen Ungehorsams mit Geldstrafen und einem politischen Betätigungsverbot davon.

Die höchste Strafe, 13 Jahre Gefängnis, erhielt der frühere katalanische Vize-Regierungschef Oriol Junqueras. Der 50-jährige Chef der Unabhängigkeitspartei Esquerra Republicana (Republikanische Linke) wurde wegen Landfriedensbruchs und der Zweckentfremdung staatlicher Gelder verurteilt. Von seinem Weg will sich Junqueras, der seit zwei Jahren in U-Haft sitzt, auch durch seine Verurteilung nicht abbringen lassen. „Es gibt keine andere Möglichkeit, als einen neuen Staat zu konstruieren“, ermunterte er seine Anhänger, weiter für die Unabhängigkeit zu kämpfen.

Zusammen mit Junqueras wurden acht weitere ehemalige katalanische Regionalminister, zwei prominente Bürgeraktivisten und die frühere Präsidentin des Regionalparlamentes schuldig gesprochen.

Den Verurteilten wurde angelastet, entgegen eines Verbots des spanischen Verfassungsgerichts die Unabhängigkeitsabstimmung im Herbst 2017 organisiert zu haben. Zudem sahen es die Richter als erwiesen an, dass die Separatisten ihre Anhänger am Referendumstag dazu aufgerufen hatten, das Abstimmungsverbot zu ignorieren und sich der anrückenden Polizei entgegenzustellen – was die Richter als Organisation eines „öffentlichen Aufstandes“ werteten. Am Tag der irregulären Volksbefragung war es zu heftigen Aussetzungen gekommen.

Der Prozess galt als der wichtigste der spanischen Demokratiegeschichte. Denn in diesem Verfahren, das im Februar begonnen hatte, ging es nicht nur um die juristische Aufarbeitung des ungesetzlichen Unabhängigkeitsreferendums und der nachfolgenden unilateralen Abspaltungserklärung im Oktober 2017. Sondern es standen auch die Grundpfeiler des Staates, wie etwa politische Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit, auf dem Prüfstand. Die Separatisten sehen sich als Opfer eines „politischen Schauprozesses“.

Dieser Vorwurf wurde von den Richtern und auch von Spaniens sozialistischem Regierungschef Pedro Sánchez zurückgewiesen: „Das war ein transparentes Verfahren mit allen Rechtsgarantien“, sagte Sánchez. Der Prozess war per Livestream im Internet übertragen worden. In Spanien gebe es weder politische Verfolgung noch politische Häftlinge, erklärte Sánchez. „Aber es sitzen einige Politiker im Gefängnis, weil sie gegen unsere demokratischen Gesetze verstießen.“

Carles Puigdemont, der immer noch bekannteste Kopf der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, saß übrigens nicht auf der Anklagebank. Er wird zwar ebenfalls von Spaniens Justiz beschuldigt, war aber nach Beginn der Ermittlungen nach Belgien geflohen. Dort residiert er seit zwei Jahren in der Nähe Brüssels in einer Villa, die er als „Haus der katalanischen Republik“ bezeichnet. Von dort setzt er seine internationale Kampagne für die Unabhängigkeit fort.

Doch nun könnte es für Puigdemont eng werden: Kurz nach der Verkündung der Urteile schickte der Oberste Gerichtshof in Madrid einen internationalen Haftbefehl an die belgischen Behörden. In der Hoffnung, dass ein Auslieferungsgesuch nach den höchstrichterlichen Urteilen gegen Puigdemonts Mitstreiter nun mehr Erfolg hat, als dies in einem ersten gescheiterten Versuch vor zwei Jahren der Fall war.

 
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