Cannabis auf Rezept? In Deutschland wird das ab März Realität. Der Bundestag hat einstimmig die Freigabe von Cannabis als Medizin auf Rezept beschlossen. Die Krankenkassen müssen demnach die Therapie bezahlen, wenn die Ärzte keine Alternative mehr sehen.
Selten waren sich die Abgeordneten so einig wie beim „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“. Der Gesetzentwurf lasse „wenig Spielraum zum Meckern“, sagte der Drogenexperte der Linken, Frank Tempel. Mit diesem Beschluss hole man diese Patienten aus der Grauzone heraus, meint die stellvertretende gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Sabine Dittmar aus Maßbach (Lkr. Bad Kissingen). Auch Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) begrüßt den Beschluss: „Bei einigen Krankheitsbildern können Cannabis-haltige Arzneimittel eine Linderung der Symptome erreichen.“
Cannabis wird unter anderem zur Behandlung von chronischen Schmerzen oder gegen spastische Lähmungen bei multipler Sklerose eingesetzt. Entsprechende Therapien sind in Deutschland seit einigen Jahren erlaubt, mussten bislang jedoch vom Patienten gezahlt werden. Zudem brauchten die Patienten eine Ausnahmeerlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zum Erwerb von getrockneten Cannabisblüten und Cannabisextrakten. Erst im April vergangenen Jahres entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, in Ausnahmefällen eine Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen. Vorausgesetzt, das Betäubungsmittel sei für die medizinische Versorgung notwendig und dem Patienten stehe keine gleich wirksame und erschwingliche Therapiealternative zur Verfügung. Derzeit verfügen deutschlandweit rund 1000 Patienten über eine solche Genehmigung für den Kauf, zwei Patienten wurde zudem die Erlaubnis für den Anbau erteilt.
Das neue Gesetz macht diese Genehmigungen überflüssig. Stattdessen liegt die Verordnung des Medikaments zukünftig beim behandelnden Arzt, die Entscheidung über die Kostenübernahme bei den Krankenkassen. Innerhalb von drei Tagen müssen diese über die Cannabis-Therapie entscheiden.
Anbau unter staatlicher Aufsicht
Dennoch bleiben Fragen offen, meint auch der Allgemeinmediziner Christian Pfeiffer, Bezirksvorsitzender des bayerischen Hausärzteverbands. „Der Gesetzgeber hat eine Grundlage geschaffen. Wie dieser Beschluss nun in der Praxis umgesetzt wird, muss im Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegt werden.“
Bei anderen Aspekt herrscht dagegen bereits mehr Klarheit. So soll der Anbau staatlich geregelt werden. Eine Agentur beim BfArM soll sicherstellen, dass in standardisierter Qualität angebaut wird. Die Agentur soll den Cannabis kaufen und an Hersteller und Apotheken abgeben.
Kritiker befürchten durch die Entscheidung den Einstieg in einen liberaleren Umgang mit Hasch oder Marihuana. Doch fest steht: Cannabis als Rauschmittel bleibt weiter verboten, betont auch Huml. „Bei jungen Menschen darf nicht der Eindruck entstehen, dass Cannabis völlig harmlos ist. Denn das Gegenteil ist der Fall – möglich sind sowohl psychische als auch körperliche Erkrankungen.“