Sanktionen wegen der Militärinvasion in Syrien muss die Türkei vorerst nicht befürchten. Die Union „verurteilt das militärische Vorgehen“, hieß es in einer Erklärung zum Abschluss des Außenministertreffens am Montag in Luxemburg. Denn die Offensive gefährde die Stabilität und Sicherheit in der ganzen Region und führe zu einem noch größeren Leiden von Zivilisten und zu weiteren Vertreibungen. Für konkrete Aktionen gegen Ankara aber gab es nicht die notwendige Einstimmigkeit. Vor allem Bundesaußenminister Heiko Maas hatte sich gegen Strafmaßnahmen ausgesprochen: „Es ist wichtig, mit der Türkei … im Dialog zu bleiben, um auf sie einwirken zu können“, betonte der SPD-Politiker. „Was in Nordsyrien geschieht, ist Anlass zu großer Sorge“, erklärte der Minister weiter. Dies habe schon jetzt „katastrophale humanitäre Folgen“. Zwar begrüßten die Außenamtschefs in ihrer Erklärung die Entscheidungen von Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Schweden und Finnland, ab sofort keine Rüstungsexporte mehr zu genehmigen, die in dem Konflikt eingesetzt werden könnten. Aber im Übrigen beließ man es bei dem Appell an die Mitgliedstaaten, „starke nationale Antworten“ zu finden.
Vor allem der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian drängte auf „ausreichenden Druck der internationalen Gemeinschaft“, um die Türkei zu einem Ende der Militäraktionen zu bewegen. Er sprach sich für eine Sondersitzung der „Internationalen Koalition gegen den IS“ aus. Die „aktuellen Gegebenheiten“ müssten neu bewertet werden. Der sogenannte Islamische Staat (IS) sei in den Augen Frankreichs der „Hauptfeind“. In Paris und weiteren Hauptstädten beobachtet man mit großer Sorge, dass bereits in den vergangenen Tagen mehrere hundert ehemalige IS-Kämpfer aus Gefängnissen in Nordsyrien fliehen konnten.
Überlagert wurde das Treffen aber von Befürchtungen des luxemburgischen Außenamtschefs Jean Asselborn. Dabei ging es weniger um die EU als vielmehr um die Auswirkungen auf die Nato. „Stellen Sie sich vor, Syrien oder Alliierte von Syrien schlagen zurück und greifen das Nato-Mitglied Türkei an“, sagte Asselborn vor dem Treffen. Der Minister spielte damit auf den Beistandsartikel 5 des Nordatlantikvertrages an, der alle Länder zum Beistand verpflichtet, wenn ein Mitglied der Allianz angegriffen wird. Asselborn: „Auf Deutsch heißt das, dass alle Nato-Länder dann einspringen müssten, um der Türkei zu helfen. Für mich ist das ziemlich außerirdisch, was da geschieht.“ Den angekündigten Exportstopp für Waffen nannte er „positiv“, ergänzte aber zugleich: „Wir wissen auch, dass (der türkische Präsident, d. Red.) Erdogan die Waffen nicht aus Europa bezieht. Er hat andere Quellen, um sich für diese Operationen Waffen zu beschaffen.“
Nach den Außenministern werden sich am Donnerstag oder Freitag auch die EU- Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel mit dem Türkei-Konflikt beschäftigen. Dass es dort zu einer schärferen Reaktion kommt, gilt in Brüssel als unwahrscheinlich. Denn die Angst, dass Präsident Erdogan seine Drohung wahrmachen und die Flüchtlinge in seinem Land nach Europa weiterziehen lassen könnte, ist groß.