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BERLIN
Die SPD sucht ihr Traumpaar
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 30.06.2019 02:10 Uhr

Sie ist 76 Jahre alt, hochdekorierte Politikprofessorin und ehemalige Kandidatin für das ehrwürdige Amt der Bundespräsidentin. Er ist 28 Jahre alt, lässt sein Politikstudium gerade ruhen und pflegt als Juso-Chef das Image des respektlosen Rebellen. Auf den ersten Blick wirken Gesine Schwan und Kevin Kühnert nicht gerade wie ein ideales Paar. Auch nicht auf den zweiten oder dritten. Doch eines verbindet sie: Die Liebe zur SPD, die tief gefallen ist, von der stolzen Volkspartei, die Kanzler stellte, zum Sorgenkind der deutschen Parteienlandschaft. Ein Sorgenkind, das in Umfragen immer tiefer sinkt, zuletzt auf gerade noch 12 Prozent, hinter Union, Grünen und AfD.

Nachdem Andrea Nahles nach dem lausigen Europawahlergebnis und tief verletzt von Angriffen aus den eigenen Reihen zurückgetreten ist, sucht die SPD ihr Heil nun in einer Doppelspitze nach dem Beispiel der Grünen. Eine Frau und ein Mann sollen die Sozialdemokratie mit vereinter Kraft aus ihrem Elend führen, so beschloss es der Vorstand. Einzelkandidaten werden zwar nicht ausgeschlossen, doch es herrscht ein breiter Konsens in der Partei, dass die Macht in diesen schwierigen Zeiten am besten auf zwei Genossen verteilt wird.

Seither beschäftigt die Funktionäre im Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale in Berlin-Kreuzberg, und die Abgeordneten im Reichstag in Mitte vor allem die eine Frage: Wer mit wem? Welches sozialdemokratische Traumpaar gewinnt die Herzen der 440 000 Parteimitglieder und wird im Dezember auf dem Parteitag zur neuen Doppelspitze gekürt?

Als erstes mögliches Duo sind nun ausgerechnet Gesine Schwan und Kevin Kühnert im Gespräch. Die frühere Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin sagte im Deutschlandfunk, dass sie bereit sei, für das SPD-Präsidentenamt zu kandidieren, „wenn die Bitte an mich herangetragen würde und wenn die auch eine erhebliche Unterstützung hätte“. Denkbar sei für sie auch eine Doppelspitze mit Juso-Chef Kühnert, den sie stets als „fair und nachdenklich argumentativ“ wahrgenommen habe. Gefragt habe sie ihn aber noch nicht und sie glaube auch nicht, dass Kühnert zum gegenwärtigen Zeitpunkt Parteichef werden wolle.

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Gesine Schwan war 2004 und 2009 für das Amt der Bundespräsidentin vorgeschlagen worden und beide Male Horst Köhler unterlegen. In Parteikreisen wird ihr Flirt mit Kühnert eher mit Belustigung gesehen. Doch das Thema Kandidatenkür wirft gleichzeitig viele ernste Fragen auf. Denn das vom Vorstand beschlossene Verfahren weicht deutlich vom Modell der Grünen ab, die beide Mitglieder der Doppelspitze einzeln wählen.

Bei der Ökopartei ermöglichte dies in der Vergangenheit den Ausgleich zwischen den konkurrierenden Parteiflügeln der Realos und Fundis. Die SPD will dagegen, dass sich die Kandidatenduos bis zum 1. September zusammenfinden, danach gemeinsam bei bis zu 30 Regionalkonferenzen für sich werben und sich quasi auch im Doppelpack dem Mitgliedervotum stellen.

Für die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis, die Vorsitzende des Forums Demokratische Linke 21, wirft das geplante Wahlverfahren zahlreiche Fragen auf. So habe die Parteiführung zwar festgelegt, dass jeder Einzelkandidat oder jedes Duo die Unterstützung von fünf Unterbezirken, einem Bezirk oder einem Landesverband brauche. Doch faktisch könne das bedeuten, „dass nun erst mal jeder, der will, seinen Hut in den Ring wirft“.

Bereits jetzt werden bei der SPD neben Familienministerin Franziska Giffey, über der freilich wie ein Damoklesschwert die ungelöste Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit schwebt, zahlreiche Kandidaten gehandelt. Aus dem großen Bewerberkreis dann auch noch aussichtsreiche Paare zu bilden, könne schwierig werden, sagt Mattheis. Wenn sie dann auch noch von 20 bis 30 geplanten Regionalkonferenzen in nur zwei Monaten höre, sei sie „ratlos“. Die Parteilinke: „Das hieße ja im schlimmsten Fall jeden zweiten Tag eine Konferenz, das muss ja alles vorbereitet sein. Das ist schon ein Mammutprogramm.“

Bedenken hat sie auch in einem weiteren Punkt: „Was ist, wenn die Delegierten auf dem Parteitag den dringend nötigen GroKo-Ausstieg beschließen und die Mitglieder gleichzeitig für ein Spitzenduo sind, das weiter in der Regierung bleiben will? Oder umgekehrt. Da könnte das nächste Problem schon vorprogrammiert sein.“ Logischer wäre es, sagt Hilde Mattheis, „inhaltliche Entscheidungen, vor allem über den Ausstieg aus der GroKo, zuerst zu treffen und dann die passenden Personen dazu zu wählen“.

Dass die SPD die Basis stark einbinden will, sei ja richtig, sagt Mattheis. Doch es sei schon ein „sehr ambitionierter“ Pfad, der zur neuen Doppelspitze führen soll. Ob diesen Weg auch Gesine Schwan und Kevin Kühnert gemeinsam beschreiten werden? Ausgeschlossen scheint in der SPD momentan fast gar nichts.

 
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