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LISSABON
Die „Klapperkiste“ darf weiterfahren
TOPSHOT-PORTUGAL-POLITICS-ELECTION       -  Die für die heutige EU außergewöhnliche Erfolgsstory der portugiesischen Sozialisten setzt sich fort. Ministerpräsident António Costa ging aus der Parlamentswahl im früheren Euro-Krisenland am Sonntag nicht nur siegreich, sondern deutlich gestärkt hervor.
Foto: Patricia De Melo Moreira, afp | Die für die heutige EU außergewöhnliche Erfolgsstory der portugiesischen Sozialisten setzt sich fort. Ministerpräsident António Costa ging aus der Parlamentswahl im früheren Euro-Krisenland am Sonntag nicht nur ...
Ralph Schulze
 |  aktualisiert: 11.10.2019 02:10 Uhr

Der Jubel des portugiesischen Ministerpräsidenten António Costa hielt sich nach seinem Wahlsieg in Grenzen. Der Sozialist strahlte bei der Feier im Hauptquartier in Lissabon und reckte die linke Faust in den Himmel. Doch seine Worte ließen wenig Zweifel, dass er sich mehr erhofft hatte. Und zwar eine absolute Mehrheit, die ihm in dieser Wahlnacht nicht vergönnt war.

„Den Portugiesen gefiel offenbar die Klapperkiste“, sagte Costa in Anspielung auf seine bisherige Minderheitsregierung, die bisher von zwei kleineren Linksparteien gestützt wurde. „Und sie wünschen die Fortsetzung dieser politischen Konstruktion.“ Wenn auch mit einer gestärkten Sozialistischen Partei (PS), die in der Parlamentswahl am Sonntag ihren Stimmanteil auf 36,7 Prozent (2015: 32,3) erhöhen konnte.

Costas Sozialisten, die ein sozialdemokratisches Programm haben, eroberten 106 Parlamentssitze. Damit fehlen ihnen immer noch zehn Mandate für die absolute Mehrheit, die bei 116 Abgeordneten der insgesamt 230 Parlamentssitze liegt. Wahlsieger Costa machte bereits klar, dass er eine Koalition ausschließt und wieder ein Minderheitskabinett anstrebt.

Opposition musste bei den Parlamentswahlen Federn lassen

Portugal erwartet also eine Neuauflage jenes parlamentarischen Mitte-links-Paktes, den die Portugiesen vor vier Jahren „geringonça“, Klapperkiste, tauften. Weil sie zweifelten, dass diese wackelige Konstruktion durchhalten würde. Doch die „Klapperkiste“ fuhr die letzten vier Jahre ohne größere Pannen. Und sie schaffte es sogar, das Land nach der Finanz- und Wirtschaftskrise aus dem Tal zu ziehen und den Menschen neuen Mut einzuhauchen.

Nach seinem Wahlsieg wird António Costa, der Mann am Steuer, aber nur noch einen der beiden früheren Partner auf dem Beifahrersitz zwingend brauchen, um sich die absolute Mehrheit zu sichern: entweder den Linksblock (BE), der auf 9,7 Prozent (2015: 10,2) kam und 19 Mandate eroberte. Oder die kommunistisch-grüne Demokratische Koalition (CDU/PCP-PEV), die mit 6,5 Prozent (2015: 8,3) zwölf Abgeordnetensitze holte.

Beide Gruppierungen machten bereits klar, dass ihre Stimmen nicht umsonst zu haben sind. Sie verlangen weitere soziale Fortschritte wie etwa die Erhöhung des mit 600 Euro immer noch sehr niedrigen Mindestlohnes. Und deutlich mehr Investitionen in das öffentliche Gesundheitswesen, das den Sparkurs im früheren Euro-Krisenland besonders heftig zu spüren bekam.

Portugals Opposition musste in der Parlamentswahl Federn lassen. Die große konservative Partei PPD/PSD, die sich kurioserweise Sozialdemokratische Partei nennt, kam auf 27,9 Prozent; die kleinere konservative Schwester CDS-PP landete bei 4,6 Prozent. Hinzu gesellt sich erstmals die neue rechtspopulistische Partei „Chega“ mit 1,3 Prozent. Unter dem Strich verlor der konservative Block an Zulauf. Der 58-jährige Jurist, dessen Vater aus dem indischen Goa stammt, hatte sich bereits als Bürgermeister Lissabons einen Namen gemacht. Als Regierungschef gelang ihm ein als unmöglich geltender Spagat: Obwohl er die Sparzügel lockerte und die Sozial- und andere Ausgaben sowie die öffentlichen Investitionen erhöhte – und dafür am Anfang Kritik aus Brüssel und Berlin einstecken musste – , konsolidierte er die öffentlichen Finanzen.

Minister Centeno gilt als „Ronaldo“ der Finanzen

„Portugiesisches Wunder“ wird dieser Erfolg genannt. Der zunächst skeptische Wolfgang Schäuble nannte Costas Finanzminister Mário Centeno – inzwischen auch Eurogruppenchef – in Anspielung auf den Fußballstar den „Ronaldo“ der Finanzen. Neben Portugal ist die Linke derzeit vor allem in Skandinavien relativ erfolgreich. Alle drei skandinavischen EU-Mitglieder haben derzeit Sozialdemokraten als Regierungschefs. Dafür waren aber entweder eine harte Migrationslinie (Dänemark) oder Koalitionen mit Konservativen (Schweden) nötig, die in Portugal undenkbar wären. Anders als in weiten Teilen Europas spielen rechtspopulistische Parteien in Portugal keine Rolle.

Mit etwas Sorge wurde aber registriert, dass die neue nationalistische Gruppierung Chega (Es reicht) immerhin einen Parlamentssitz eroberte. Derweil schauen Sozialdemokraten aus ganz Europa neidvoll auf Portugal, das derzeit eines der wenigen Länder ist, in dem sozialdemokratisch orientierte Regierungschefs noch klare Siege einfahren. Spaniens geschäftsführender Ministerpräsident, der Sozialist Pedro Sánchez, war einer der ersten Gratulanten.

„Glückwunsch António Costa, Glückwunsch Portugal“, schrieb der Spanier. Sánchez hofft nun, dass der Erfolg der Genossen und ihrer „Klapperkiste“ auf Spanien abfärbt. Denn auch in Spanien gibt es, ähnlich wie in Portugal, eine Mehrheit links der Mitte, allerdings schaffte Sánchez es nicht, mit den kleineren linken Parteien einen Regierungspakt auszuhandeln – weswegen am 10. November in Spanien Neuwahlen anstehen. Mit Infos der Dpa

 
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