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„Die Frage nach der Religion ist nicht entscheidend“
Stefan Lange
 und  Margit Hufnagel
 |  aktualisiert: 31.01.2020 02:10 Uhr

Für Annegret Kramp-Karrenbauer ist klar: In der Union können auch Muslime ihren Weg machen, wenn sie die gemeinsamen Werte vertreten. Die 57-Jährige ist seit 2018 Vorsitzende der CDU und seit 2019 Bundesverteidigungsministerin. Im kommenden Jahr soll die frühere saarländische Ministerpräsidentin ihre Partei in den Bundestagswahlkampf führen.

Frage: Frau Kramp-Karrenbauer, die CSU hat in den vergangenen Wochen intensiv über einen muslimischen Bürgermeisterkandidaten in Wallerstein diskutiert. Einige seiner Parteifreunde lehnten dessen Kandidatur wegen seines Glaubens offen ab. Wie haben Sie diese Debatte erlebt?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Es ist schwierig, das von außen zu beurteilen. Aber ich habe mir überlegt, was Franz Josef Strauß wohl dazu gesagt hätte. Ich glaube, er hätte kräftig auf den Tisch geklopft und gepoltert: Mei, wenn der Mann unsere Werte vertritt, dann ist es doch egal, welcher Religion er angehört.

Kann eine Partei mit einem C im Namen wirklich so pragmatisch argumentieren, wenn es um die Religion ihrer Kandidaten geht?

Kramp-Karrenbauer: Natürlich. Wir haben in der CDU viele muslimische Parteimitglieder und auch Abgeordnete – bis hin zu einer Kollegin im Bundesvorstand. Sie alle vertreten ganz selbstverständlich unsere Werte. Bei uns gibt es Christen, Muslime und auch Mitglieder jüdischen Glaubens. Wichtig ist doch allein, dass alle auf dem Wertefundament dieser Partei stehen.

Der CSU-Ortsvorsitzende hat argumentiert, auf dem Land sei man eben „noch nicht so weit“.

Kramp-Karrenbauer: Ich komme aus der Kommunalpolitik und weiß, dass dort die Persönlichkeit der Kandidaten eine große Rolle spielt. Wenn sich jemand um ein Amt bewirbt, achten die Leute darauf, ob er oder sie im Ort integriert und engagiert ist. Und auch, ob das familiäre Umfeld stimmt. Passt das aber alles, ist die Frage der Religion nach meiner Erfahrung letztlich nicht die entscheidende. In Neufahrn bei Freising wurde ein muslimischer Bürgermeisterkandidat der CSU ja kürzlich mit 100 Prozent der Stimmen nominiert. Das ist ein eindeutiges Ergebnis.

Ihr CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus hat vor kurzem sogar gesagt, er könne sich einen Muslim als Kanzler vorstellen. Sie auch?

Kramp-Karrenbauer: Jeder, der sich in unserer Partei engagiert und unsere Werte teilt, kann seinen Weg in der Partei machen. Aber im Moment ist das eine sehr theoretische Diskussion. Ich sehe jedenfalls nicht, dass unsere ohnehin andauernde Kandidaten-Debatte in der CDU gerade noch um diese Facette erweitert wurde.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat einen Umbau des Bundeskabinetts gefordert. Bestimmt jetzt der CSU-Chef, wie dieses Kabinett aussieht?

Kramp-Karrenbauer: Markus Söder hat doch vor allem eine Analyse vorgenommen. Und die teile ich – die Zustimmungswerte zur Arbeit der Bundesregierung sind nicht besonders gut. Wir stehen mit Blick auf die nächste Bundestagswahl vor einer ganz besonderen Situation. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wird die Union ohne Angela Merkel, also ohne die Amtsinhaberin, in die Wahl ziehen. Die Frage, wie sich die Union neu aufstellt, ist somit ganz entscheidend.

Und das geht nur, indem man Köpfe austauscht?

Kramp-Karrenbauer: Ich habe Markus Söder so verstanden, dass eine Kabinettsumbildung ein Weg sein könnte. Aber es gibt natürlich auch einen anderen Weg: Das Kabinett bleibt, doch wir stellen für die Bundestagswahl Kandidaten auf, die wichtige Zukunfts-Themenfelder vertreten. Das sind unterschiedliche Ansätze, gewiss, aber wir werden uns im Laufe des Jahres auf einen Weg verständigen.

Ministerpräsident Markus Söder drängt auf eine Entscheidung über die Personalfrage im Sommer. Der ist in Bayern zwar besonders lang, dauert aber nicht bis zum Ende des Jahres, wie es Ihr Zeitplan vorsah.

Kramp-Karrenbauer: In der Politik spürt man, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, und dann redet man drüber.

Die CSU denkt über einen Neustart in Berlin nach, weil sie in den Umfragen nicht vom Fleck kommt – und die Umfragewerte für Bundesminister wie Andreas Scheuer katastrophal sind.

Kramp-Karrenbauer: Ich halte nichts von dieser Art öffentlicher Spekulation und werde mich daran auch nicht beteiligen.

Herr Söder könnte doch CSU-Minister wie Scheuer oder Horst Seehofer einfach auswechseln.

Kramp-Karrenbauer: CDU und CSU sind die Aufstellung des Kabinetts und der Vergabe der Ressortzuschnitte immer gemeinsam angegangen. Warum sollte sich das ändern?

Sie haben als neue Bundesverteidigungsministerin in mehreren Reden eine aktivere Rolle Deutschlands in der Welt gefordert, bislang ohne viel Erfolg. Werden Sie in München einen neuen Versuch unternehmen?

Kramp-Karrenbauer: Deutschland spielt eine Rolle in der Welt, in Europa. Welche und wie sie sich verändert, darüber müssen wir intensiv diskutieren – auch öffentlich unter Einbeziehung der Bürger. Dazu habe ich Vorschläge gemacht, über die nun debattiert wird. Das ist ein Fortschritt. Denn die Frage ist doch: Wie können wir in Europa enger zusammenarbeiten, um mehr internationale Verantwortung zu übernehmen?

 
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