Mit Helmut Kohl ist ein großer Deutscher gestorben. Der frühere Bundeskanzler prägte eine Epoche bundesrepublikanischer Geschichte. In seiner aktiven Zeit erlebte er wie kaum ein anderer Staatsmann Höhen und Tiefen – und wohl kein anderer deutscher Regierungschef war so umstritten wie das CDU-Urgestein aus Oggersheim.
Zweifelsohne darf das Gelingen der Wiedervereinigung auch als herausragendes politisches Meisterstück Kohls gewertet werden. Er hat seinerzeit die Gunst der Stunde sofort erkannt. Kurz nach dem Mauerfall hatte er ohne Absprache mit dem Koalitionspartner einen Zehn-Punkte-Plan zum Ende der Teilung Deutschlands und Europas vorgelegt. Mit Mut, Tat- und Überzeugungskraft ebnete er dann zusammen mit den Führern anderer europäischer Staaten und den USA maßgeblich den Weg für die deutsche Einheit.
Darüber hinaus war Helmut Kohl ein großer Europäer. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker übertreibt sicher nicht, wenn er in seiner Würdigung Kohl bescheinigt, das europäische Haus mit Leben erfüllt zu haben. Und das nicht nur, „weil er Brücken nach Westen wie nach Osten gebaut hat, sondern auch, weil er niemals aufgehört hat, noch bessere Baupläne für die Zukunft Europas zu entwerfen“.
Helmut Kohl galt ein Leben lang als Kämpfernatur
Helmut Kohl hat sich allerdings nicht nur als strahlender „Kanzler der Einheit“ einen Platz in der Geschichte gesichert. Untrennbar mit seinem politischen Wirken ist auch das dunkle Kapitel der CDU-Spendenaffäre verbunden. Sie hat 1999 nicht nur die Union erschüttert, sondern das ganze Land. Für viele Menschen büßte er damals seine Vorbildfunktion ein. Nicht wenige Parteifreunde brachen mit ihm, unter anderem Wolfgang Schäuble. Auch Angela Merkel ging auf Distanz. In der Folge trat Kohl als CDU-Ehrenvorsitzender zurück. Bis zu seinem Tod hat er geltendes Recht ignoriert und verschwiegen, wer ihm am Gesetz vorbei Geld für die Parteikasse spendete. Kohl rechtfertigte sein Verhalten damit, er habe den Geldgebern sein Ehrenwort gegeben, die Namen nicht zu nennen.
Sein Leben lang galt Helmut Kohl als Kämpfernatur. Ob als Ministerpräsident in Mainz, Vorsitzender der CDU oder als Bundeskanzler: Dank seiner robusten und entschlossenen Art behauptete er sich gegen Widersacher aus dem gegnerischen politischen Lager genauso wie gegen „Störenfriede“ aus den eigenen Reihen – und den Medien..
In den letzten Jahren hat der Altkanzler nur noch selten die Öffentlichkeit gesucht. Er hatte große gesundheitliche Probleme. Ein Schädel-Hirn-Trauma, das er sich bei einem Sturz 2008 zugezogen hatte, führte dazu, dass er kaum noch sprechen konnte.