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Deutschland braucht eine intakte Bahn
Joachim Bomhard
 |  aktualisiert: 18.02.2020 02:10 Uhr

Bahn-Vorstand Ronald Pofalla sieht man in diesen Tagen bisweilen mit stolzgeschwellter Brust. Er positioniert sich als Baumeister, der endlich die marode Bahninfrastruktur modernisiert. Ronald Pofalla ist gerne der Verkäufer guter Nachrichten. Das war er schon während seiner politischen Karriere an der Seite von Angela Merkel, der er erst als CDU-Generalsekretär und dann als Chef des Kanzleramts lange Zeit unauffällig den Rücken freihielt.

Als er 2013 kurz vor der Bundestagswahl die NSA-Abhöraffäre selbstherrlich für beendet erklärte, schwand sein Rückhalt im politischen Machtzentrum und für ihn war kein Platz mehr in der neuen Regierung. Kaum aus der Politik ausgestiegen mit dem fadenscheinigen Argument, mehr Zeit für die Familie und vielleicht auch ein Kind haben zu wollen, wurde klar, wohin es ihn ziehen würde: in den Vorstand des großen Staatsunternehmens Deutsche Bahn. Der Konzern ist ein problembeladener Riese, der zudem lange Zeit nahezu totgespart worden ist, um ihn sexy für die Börse zu machen. Der damalige Bahnchef Rüdiger Grube wollte Pofalla mit all seinen Kontakten als überlebenswichtigen Türöffner in die Berliner Politik an seiner Seite haben.

Im Autoland Deutschland rangiert der Straßenbau vor der Bahn

Nun sind die Bundesverkehrsminister der vergangenen Jahre eher mit besonderem Engagement für Autofahrer und Autoverkehr aufgefallen als mit Fürsorge für die Bahn. Das drückt sich auch in deutlich unterschiedlichen Investitionssummen aus.

Nach wie vor rangiert im Autoland Deutschland der Straßenbau weit vor der Bahn, auch in Zeiten des Klimawandels. Eine totale politische Kehrtwende weg vom lieb gewonnenen Individualverkehr wäre unrealistisch, aber eine spürbare Verschiebung der Gewichte hin zur stärkeren umweltverträglicheren Nutzung von Zügen ist unverzichtbar.

Hier kommt Ronald Pofalla wieder ins Spiel. Seit 2017 ist er für die Infrastruktur der Deutschen Bahn verantwortlich. Und vor kurzem bekam er aus Berlin vertraglich zugesichert, bis 2030 insgesamt 86 Milliarden Euro allein für die Instandhaltung und Sanierung von Schienen, Weichen, Bahnhöfen, Brücken usw. ausgeben zu können.

Teilweise noch Technik wie vor 100 Jahren

Es klingt nach viel, ist aber angesichts teilweise desaströsen Zustands der Bahneinrichtungen und des langen Zeitraums nicht genug. Man erinnere sich nur als einem kleinen Beispiel an den tödlichen Unfall im Bahnhof Aichach im Mai 2018. Damals wurde offenbar, dass dort – und bei weitem nicht nur dort – die Weichen wie vor 100 Jahren per langem Hebel vom Fahrdienstleiter von Hand gestellt werden und eine elektronische Absicherung fehlt. Das soll sich jetzt ändern.

Das große Ziel ist die Verdoppelung von Passagierzahlen und Güterverkehr. Wer heute schon in überfüllten Zügen unterwegs ist, kann sich vielleicht vorstellen, was da noch alles passieren muss. Gebraucht werden: deutlich mehr Züge und Personal, mehr Gleise, leistungsfähigere Bahnhöfe, viel enger getaktete Fahrpläne, kürzere Fahrzeiten, mehr Komfort.

Deshalb wäre Ronald Pofalla etwas mehr Realitätssinn zu wünschen. Was er, sein jetziger Bahnchef Richard Lutz und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit ihrer jüngsten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung auf den Weg gebracht haben, ist vielleicht ein Anfang. Gut, es kann verlässlich gebaut werden, wohl auch kundenfreundlicher und weniger verspätungsanfällig. Aber der große Durchbruch hin zu einem möglichen neuen Bahnland Deutschland nach Schweizer Vorbild ist das keinesfalls.

 
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