Politiker sind es gewohnt, ihre Gesichter täglich in der Zeitung zu sehen. Doch der Leitartikel, mit dem die „New York Times“ am Montag die Senatoren des US-Kongresses zur ersten Sitzung nach der Weihnachtspause begrüßte, war höchst ungewöhnlich. „Kongress, stopp den Kriegsausbruch!“, lautete die dramatische Überschrift des Kommentars, der mit den Bildern dreier einflussreicher republikanischer Senatoren versehen war, von denen die Zeitung ein Einschreiten gegen Donald Trump erwartet.
Tatsächlich wirkt der US-Präsident nach der gezielten Tötung des iranischen Top-Generals Kasem Soleimani immer erregter und unbeherrschter. In einer Tirade wilder Verwünschungen drohte er am Sonntag mit der Zerstörung iranischer Kulturstätten, unproportionalen Militärschlägen ohne Billigung des Kongresses und beispiellosen Sanktionen gegen den verbündeten Irak. „Trump teilt in alle Richtungen ohne Rücksicht auf Gesetze, Konventionen und politische Grundsätze aus“, staunte die „Washington Post“.
Wilde Drohungen
Mit der Rückkehr von Trump aus seinem Feriendomizil in Florida und dem Ende der Parlamentspause hat sich das innenpolitische Geschehen der USA wieder nach Washington verlagert. Eigentlich wäre die erwartete Impeachment-Anklage im Senat das beherrschende Thema gewesen. Doch der Luftschlag gegen den zweitwichtigsten Vertreter des Iran und die brisante Zuspitzung der Lage im Mittleren Osten überschatten alle anderen Themen. Nicht wenige demokratische Politiker glauben, dass Trump genau deswegen zu diesem Zeitpunkt zugeschlagen hat. Tatsächlich beklagte er sich am Montag bei Twitter über das Impeachment: „Dass ich Zeit auf diesen politischen Schwindel verwenden muss, während ich in diesem historischen Moment so beschäftigt bin, ist traurig.“
Offensichtlich sorgt sich Trump auch, nach seinem weitgehend planlosen Iran-Schlag bei absehbaren Vergeltungsaktionen als schwach wahrgenommen zu werden. So drohte er am Wochenende für diesen Fall mit der Vernichtung Dutzender iranischer Ziele – darunter auch historische Kulturstätten. Dies wäre eine eklatante Verletzung des Völkerrechts. Eilig versuchte US-Außenminister Mike Pompeo die weltweite Empörung einzufangen: „Wir werden innerhalb des Systems handeln.“ Doch Trump widersprach ihm ausdrücklich: „Sie dürfen unsere Leute foltern und töten (…) und wir dürfen ihre Kulturstätten nicht anrühren? So funktioniert das nicht.“
Ein Konflikt mit dem Kongress
Nachdem das irakische Parlament am Sonntag mit einer Resolution den Abzug der etwa 5000 im Land stationierten US-Soldaten gefordert hatte, reagierte Trump ähnlich impulsiv. Die USA hätten mehrere Milliarden Dollar in den Bau einer „sehr einzigartigen“ Luftwaffenbasis im Irak investiert, argumentierte er: „Wir gehen nicht, ehe sie uns das erstatten.“ Andernfalls drohte er dem Verbündeten im Kampf gegen die Terrormiliz IS mit Sanktionen, „wie sie es noch nie erlebt haben“.
Einen dritten Konflikt eröffnete Trump mit dem US-Kongress. Nach geltendem US-Recht darf der Präsident Militäraktionen ohne das Parlament nur zur Selbstverteidigung befehlen. Innerhalb von 48 Stunden muss er die Abgeordneten über die Gründe informieren. Das hat Trump lediglich mit einem als „geheim“ eingestuften Dokument getan, das laut Parlamentssprecherin Nancy Pelosi „mehr Fragen als Antworten“ liefert. Kurz darauf feuerte er einen rotzigen Tweet an die Adresse des Kongresses ab, in dem er ankündigte, „schnell und mit voller Härte und möglicherweise auch unproportional“ zurückzuschlagen, falls der Iran einen Bürger oder eine Einrichtung der USA angreife.
Das hat die Demokraten weiter verärgert. Noch in dieser Woche will Pelosi, die den Luftschlag „provokant und unverhältnismäßig“ nannte, die Macht des Präsidenten begrenzen und eine Resolution beschließen lassen, die militärische Aktionen gegen den Iran auf 30 Tage begrenzt. Eine Mehrheit im Repräsentantenhaus scheint sicher. Im Senat aber besitzen die Republikaner die Mehrheit.