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BERLIN
Der Krebs entzieht der SPD ein politisches Talent
Christian Grimm
Christian Grimm
 |  aktualisiert: 14.09.2019 02:11 Uhr

In ihrer schwierigsten Stunde vertraut Manuela Schwesig auf den Schutz Gottes. „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ – diese Worte stellt sie einer Videonachricht voran, in der sie im Internet über ihren Schicksalsschlag spricht. Sie stammen aus der Feder des Pfarrers Dietrich Bonhoeffer. Schwesig hat Brustkrebs. „Die Diagnose hat mich schwer getroffen, auch meine Familie“, spricht sie mit brüchiger Stimme in die Kamera. Sie ringt um Fassung und gewinnt sie wieder.

Darum wird es auch in den nächsten Monaten gehen: Gewinnen, um nicht zu sterben. Die Ärzte geben ihr gute Chancen, dass sie die Krankheit besiegen kann. Das zumindest sagt die 45-Jährige. Ein starkes Indiz dafür ist, dass sie weiter den harten Job der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern machen will. Den Posten als kommissarische SPD-Chefin gibt die Mutter zweier Kinder auf. „Damit ich jetzt Kraft habe für Mecklenburg-Vorpommern, meine Gesundheit und meine Familie.“

Ihre Partei verliert damit eine beliebte Politikerin, von der sie in ihrer schweren Krise nicht mehr so viele hat. Schwesig kümmert sich um ur-sozialdemokratische Themen: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, kostenfreie Bildung, die Emanzipation von Frauen und den Schutz der Schwachen. Ihr Mann Stefan erzieht Sohn und Tochter.

Vor zwei Jahren ruft sie die Partei eilig nach Mecklenburg-Vorpommern, weil ihr Vorgänger Erwin Sellering erkrankt ist. Schwesig legt ihr Amt als Bundesfamilienministerin nieder und wird Regierungschefin in Schwerin. Sellering hatte Schwesig einst als Nachwuchshoffnung entdeckt und sie 2008 zur jüngsten Ministerin des Landes gemacht.

Für die neuen Länder gekämpft

Für die SPD ist der teilweise Rückzug ihrer Übergangschefin doppelt bitter, weil sie damit gleichzeitig eine profilierte Politikerin aus dem Osten Deutschlands verliert. Schwesig hat in den vergangenen Jahren hart dafür gekämpft, den neuen Ländern mehr Gehör zu schenken, um dem Aufstieg der AfD etwas entgegenzusetzen. Sie setzte durch, dass dem aktuellen Kabinett zumindest eine Ministerin aus den neuen Ländern angehört. Ex-Parteichef Sigmar Gabriel hat ihr zugetraut, allein nach dem SPD-Vorsitz zu greifen. Das hat sich die frühere Finanzbeamtin dann doch nicht zugetraut, als Andrea Nahles die Brocken im Sommer hinwarf. Gemeinsam mit den beiden anderen Co-Vorsitzenden hat sie es geschafft, die geschundene Sozialdemokratie zu beruhigen und einen öffentlich ausgetragenen Flügelkampf zu vermeiden. Anders als so häufig treten die Kandidaten für den Parteivorsitz bislang nicht gegeneinander an. Gerade bei der SPD galt in den vergangenen Jahren, dass die eigenen Parteifreunde die ärgsten Feinde waren.

„Manuela wird es packen“

Schon ab erstem Oktober wird aus dem verbliebenen kommissarischen Führungsduo eine Solo-Veranstaltung. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer wird allein das Steuer übernehmen, weil Thorsten Schäfer-Gümbel Arbeitsdirektor bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit wird. „Die Botschaft heute ist klar: Manuela Schwesig wird es packen mit ihrer Erkrankung“, sagt Dreyer. Sie verbindet mit ihrer Amtskollegin aus dem Norden, dass sie den Griff nach dem SPD-Thron scheute. Anfang Dezember wird der Parteitag eine neue Spitze wählen, die wahrscheinlich ein Mann und eine Frau bilden werden.

Manuela Schwesig wird den Kurs der Bundespartei in nächster Zeit weit weniger prägen. Sie wird ihre Kraft gegen den Krebs aufbieten. „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag“, geht Bonhoeffers Vers weiter.

 
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