Die Vereinigten Arabischen Emirate sonnen sich gerne in dem Prädikat „Sparta des Nahen Ostens“. Superreich, bis an die Zähne bewaffnet und mit unbändigem Machtanspruch, mischt der Zwergstaat am Golf mit seinen 1,3 Millionen Einheimischen mittlerweile in allen Krisenherden der arabischen Unruheregion mit. In den Bürgerkriegen im Jemen und in Libyen sind die Emirate mit Soldaten und Söldnern vor Ort. In der Katar-Krise gehören sie zu den Wortführern der Boykotteure. Auch in Ägypten und im Sudan, im Libanon und in Syrien sowie beim Dauerkonflikt um die Palästinenser haben sie ihre Finger im Spiel – meist im Tandem mit dem großen Bruder Saudi-Arabien.
Ein stiller und leiser Rückzuug
Inzwischen jedoch mehren sich die Anzeichen, dass Abu Dhabi auf den vielen Schauplätzen seine Kräfte überdehnt. In Libyen herrscht bei der Offensive von General Haftar gegen die eigene Hauptstadt Tripolis ein blutiges Patt. Ägyptens Wirtschaft bleibt ein Fass ohne Boden, in dem bereits mindestens zwanzig Dollarmilliarden des Emirats verschwunden sind. Katar hat die Isolation durch seine Blockade-Nachbarn bisher gut pariert. Dohas Emir war kürzlich im Weißen Haus Gast bei Präsident Donald Trump. Und der emiratische Außenminister Anwar Gargash räumte diese Woche zum ersten Mal öffentlich ein, dass der Krieg im Jemen gegen die Houthis nicht mehr zu gewinnen ist. Ganz still und leise und im Schatten der Irankrise tritt derzeit der Großteil der 5000 Soldaten, die in der Provinz Marib, in Aden und bei der Belagerung von Hodeida im Einsatz waren, den Rückzug an.
Rüstungsetat verdoppelt und Wehrpflicht eingeführt
Noch vor einem Jahrzehnt dagegen galten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) als apolitische Glitzerenklave, die vor allem durch Superluxus, künstliche Inseln und Rekord-Wolkenkratzer von sich reden machte. Erst als der Arabische Frühling 2011 die Machtarchitektur der Region ins Wanken brachte, begann Abu Dhabi bei der Außen- und Sicherheitspolitik mit den Muskeln zu spielen. Treibende Kraft dieser Wende war Kronprinz Mohammed bin Zayed, der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, von seinen Landsleuten auch MbZ genannt. An der britischen Militärakademie Sandhurst ausgebildet, verdoppelte er den Rüstungsetat auf über 20 Milliarden Dollar pro Jahr und führte 2015 die Wehrpflicht ein. Seit dem Schlaganfall von Emir Khalifa bin Zayed im Januar 2014 ist der 58-Jährige de facto der mächtigste Mann in Abu Dhabi.
Gegen Demokratie und Mitbestimmung
Bei seinen Interventionen folgt Mohammed bin Zayed, genauso wie sein saudischer Partner Mohammed bin Salman, stets dem gleichen autoritären Drehbuch. Die beiden Thronfolger wollen den Ruf der Völker nach freien Wahlen, Demokratie und Mitbestimmung unterdrücken, den hegemonialen Einfluss des Iran eindämmen und die Muslimbrüder niederringen, weil sie sämtliche Golf-Monarchen als illegitime Despoten ansehen. Zu ihren Günstlingen dagegen erkoren die beiden Kronprinzen skrupellose Militärherrscher wie Abdel Fattah al-Sisi in Ägypten, Khalifa Haftar in Libyen oder Mohammed Hamdan Dagalo im Sudan, den Schlächter von Darfur, der bis heute die 15 000 sudanesischen Söldner im Jemen organisiert. Mit ihnen zusammen kämpften die emiratischen Soldaten mehr als vier Jahre lang vergeblich gegen die Houthi-Rebellen. Ihren wichtigsten militärischen Erfolg errang die Streitmacht im April 2016, als sie die Terrororganisation El Kaida aus der Hafenstadt Mukalla vertreiben konnte. Abgesehen davon ist der Konflikt zu einem teuren Abnutzungs- und Stellungskrieg geronnen. Die von Teheran protegierten Houthis halten die Hauptstadt Sanaa unangefochten im Griff. Mehr als 500 Raketen feuerten sie in den letzten beiden Jahren auf die Emirate und Saudi-Arabien ab.
Truppen werden zur Verteidigung des eigenen Landes gebraucht
Und die humanitäre Katastrophe der 30 Millionen Jemeniten zehrt an dem internationalen Ansehen von Abu Dhabi und Riad. Beigetragen zu dem abrupten Jemenrückzug hat aber auch der eskalierende Konflikt mit dem Iran. Sollten nun am Persischen Golf die Waffen sprechen, braucht Abu Dhabi sämtliche Truppen zur Landesverteidigung.
Für den Vermittler der Vereinten Nationen, Martin Griffiths, ist der Rückzug der Emiratis „ein entscheidender Moment für das Schicksal des Krieges“, auch wenn diese beteuern, sie wollten kein strategisches Vakuum hinterlassen und mit Beratern vor Ort bleiben. Saudi-Arabien jedoch stürzt das einseitige Vorgehen seines Juniorpartners in eine strategische Zwickmühle, schließlich würde ein ähnlicher Abzug des Königreichs den Houthis und ihren iranischen Sponsoren einen fulminanten Propaganda-Sieg liefern. Nach Angaben von Diplomaten reagierte Riad tief enttäuscht.