
Was Kokain und Mietwagen gemeinsam haben? Mit beidem macht die italienische Mafia ihre Geschäfte. Im Interview erklärt Reinhard Röttle, wie die Kriminellen arbeiten – und wie man ihnen auf die Schliche kommt. Röttle ist seit zwei Jahren Generalstaatsanwalt. Zuvor war er Personalchef im Justizministerium.
Reinhard Röttle: Es ist richtig, was Herr Mattioli sagt. Und ich freue mich, wenn dieses Thema in der Zivilgesellschaft diskutiert wird. Grundsätzlich gilt: Die Organisierte Kriminalität ist überall dort aktiv, wo es entsprechende Gewinne zu machen gibt. Deshalb wäre es naiv zu meinen, Bayern sei kein Aktionsraum. 2018 gab es beim Bundeskriminalamt 13 Verfahren mit Mafia-Bezug, davon sieben in Bayern. Aktuell sind es laut LKA noch vier. Eine nennenswerte Steigerung solcher Fälle gibt es allerdings nicht. Die Fallzahlen sind seit Jahren relativ konstant.
Röttle: Vermutlich gilt beides. Drogendelikte zum Beispiel werden kaum zur Anzeige gebracht. Da muss man aktiv danach suchen. In Bayern spielt dabei die gut funktionierende Schleierfahndung entlang der Grenze eine besondere Rolle, ebenso die enge Vernetzung aller beteiligten Behörden: Landes- und Bundespolizei, der Zoll und die Staatsanwaltschaften arbeiten hier enger zusammen als anderswo in Deutschland.
Röttle: Überwiegend ja. Wenn Herr Mattioli sagt, dass man die Mafia am besten dadurch bekämpft, dass man kein Kokain konsumiert, dann stimmt das. Wir haben es im grenznahen Bereich aber auch immer wieder mit Falschgeld aus Oberitalien zu tun oder zum Beispiel mit der Verschiebung hochwertiger Mietwagen.
Röttle: Nein. In diesen Fällen führen die Spuren nach Albanien und Südamerika. Das Problem bei der Strafverfolgung ist aber immer das gleiche: Es geht darum, an die Hintermänner ranzukommen.
Röttle: Diese Kritik kann ich nicht so stehen lassen. Wir fangen nicht nur kleine Fische. Gerade im Kampf gegen das Kokain waren die Kollegen zuletzt sehr erfolgreich. Wir machen Fortschritte und stehen in der OK-Bekämpfung besser da als noch vor zwei Jahren. Das liegt auch an unserem „Traunsteiner Modell“, das wir neben Traunstein jetzt auch in Kempten und Landshut eingerichtet haben.
Röttle: Das bedeutet, dass wir bei diesen Staatsanwaltschaften alle Verfahren von grenzüberschreitender Kriminalität in einer Abteilung konzentrieren. Wenn wir einen Drogenkurier festnehmen, dann fragen wir: Wo kommt er her? Wohin fließt das Geld? Wer bekommt den Profit? Je besser vernetzt Ermittler in solchen Fällen sind, umso größer sind die Erfolgsaussichten. Ergänzt wird das durch internationale Zusammenarbeit. Wir haben bereits ein Kooperationsabkommen mit der Region Trentino-Südtirol, über weitere derartige Abkommen wird verhandelt. Wenn sich die Kollegen über Grenzen hinweg persönlich kennen und austauschen, dann nutzt das allen. So können wir Schritt halten mit der internationalen Vernetzung der Organisierten Kriminalität.
Röttle: Wir wissen, dass sie hier sind, so wie wir wissen, dass auch potenziell Kriminelle aus Albanien, Russland oder Tschetschenien hier sind. Kriminelle Clanstrukturen wie in einigen anderen Bundesländern gibt es in Bayern aber nicht. Polizei und Verfassungsschutz beobachten die Lage. Konkrete Ermittlungen allerdings können erst bei einem konkreten Verdacht eingeleitet werden. Und Sie dürfen nicht vergessen: Es gibt auch immer wieder Kleinkriminelle, die damit prahlen, einen einflussreichen Onkel in Sizilien zu haben. Da ist nicht selten ein gewisses Posing dabei. Für Staatsanwälte kann es in einem Strafverfahren am Ende aber nur um gerichtsverwertbare Fakten gehen.
Röttle: Wir verschließen nicht die Augen und die Polizei verschließt nicht die Augen. Wir entwickeln uns beständig weiter. Zuletzt haben wir eine zentrale Koordinierungsstelle für Vermögensabschöpfung eingerichtet. Wir nutzen alle Ermittlungsmöglichkeiten der Strafprozessordnung. Unverzichtbare Ermittlungsinstrumente sind dabei die Telekommunikationsüberwachung, aber auch der Einsatz verdeckter Ermittler. Wichtige Erkenntnisse liefern daneben häufig Informanten und Kronzeugen. Ohne diese Maßnahmen, gegen die es ja gerade von Seiten der Grünen immer wieder Bedenken gibt, könnten wir die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität einstellen. Wenn die Grünen die Mafia besser bekämpfen wollen, dann müssen sie verdeckte Maßnahmen politisch mittragen.
Röttle: Ja. Wir sollten meiner Meinung nach bei der Abschöpfung von Vermögen mehr in Richtung Beweislastumkehr kommen. Bisher müssen wir beweisen, dass zum Beispiel beschlagnahmtes Bargeld ungeklärter Herkunft kriminell erworben wurde. Wenn der Verdächtige nachweisen müsste, dass er das Geld legal erworben hat, wäre es für uns einfacher. OK-Bekämpfung heißt Gewinnabschöpfung. Wenn wir Gewinne sichern können, werden illegale Geschäfte für Kriminelle zunehmend uninteressant.