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Berlin
Bundesregierung verteidigt Ukraine-Kurs: Dialog statt Waffenlieferung
27.01.2022, Berlin: Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin, spricht bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Hauptthemen der 14. Sitzung der 20. Legislaturperiode sind die Schlussberatung und Verabschiedung des Nachtragshaushalts 2021, sowie Debatten zum Ukraine-Konflikt, zur Zukunft Europas, zur deutschen G7-Präsidentschaft, und zur deutschen Landwirtschafts- und Ernährungspolitik. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Foto: Bernd von Jutrczenka | 27.01.2022, Berlin: Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin, spricht bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Hauptthemen der 14. Sitzung der 20.
dpa
 |  aktualisiert: 20.03.2022 02:19 Uhr

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat die Absage der Bundesregierung an Waffenlieferungen in die einen neuen russischen Angriff fürchtende Ukraine verteidigt. Den außenpolitischen Kurs in dieser Frage um 180 Grad zu drehen, «das sollte man schon bei vollem Bewusstsein tun und vor allen Dingen damit nicht Türen für Deeskalation verschließen, die sich gerade in diesem Moment so zaghaft wieder öffnen», sagte Baerbock am Donnerstag im Bundestag mit Blick auf die Wiederaufnahme von Gesprächen. Die Bundesregierung arbeite an einem «starken Sanktionspaket», sagte sie. «Bei neuer Aggression steht die Bandbreite unserer Antworten zur Verfügung, inklusive Nord Stream 2», so Baerbock.

Deutschland unterstütze die Ukraine auch militärisch, sagte Baerbock. Sie nannte die Lieferung von 5000 Schutzhelmen, den Bau von Schutzbunkern und die Ausbildung ukrainischer Soldaten. Der Dialog habe aber absolute Priorität. Baerbock: «Wer redet, der schießt nicht. Daher ist es fatal, die Wiederaufnahme von Dialog jetzt einfach so abzutun.» Die Bundesregierung setze auch weiter darauf, die Ukraine wirtschaftlich und finanziell zu stärken. Aus den Reihen der Ampel-Koalitionäre SPD und FDP kam Zustimmung.

Merz wirft Scholz fehlendes Engagement vor

Der künftige CDU-Parteichef Friedrich Merz warf in der Debatte vor allem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fehlendes Engagement vor. «Es droht ein Krieg in einem Teil unseres Kontinents, der von den Verbrechen des Zweiten Weltkrieges in besonders brutaler Weise betroffen war», so Merz. Diese Gefährdung des Friedens in Europa gehe ausschließlich von der Russischen Föderation und von Wladimir Putin aus. «Die Menschen in unserem Land erwarten von Ihnen jetzt, dass Sie im deutschen Parlament eine klare Einschätzung der Lage aus Ihrer Sicht geben und dass Sie vor allem die Konsequenzen daraus für Deutschland und für Europa aufzeigen», sagte Merz an die Adresse von Scholz.

Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarsches in der Nähe der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in das Nachbarland planen könnte. Für möglich wird allerdings auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen. Die Bemühungen um eine Entschärfung des Konflikts dauern seit Wochen bei verschiedenen Gesprächen an.

Eine deutliche Mehrheit der Deutschen ist gegen die Lieferung deutscher Waffen an die Ukraine. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov schlossen sich 59 Prozent der Befragten der Haltung der Bundesregierung an, dem Land keine Waffen zur Verteidigung gegen einen möglichen Angriff Russlands zur Verfügung zu stellen. Nur 20 Prozent sprachen sich für Waffenlieferungen aus. 21 Prozent machten keine Angaben.

Mehrheit lehnt Waffenlieferungen ab

Waffenlieferungen werden von Wählern aller im Bundestag vertretenen Parteien mehrheitlich abgelehnt. Am stärksten ist diese Haltung bei den Anhängern der Linken (71 Prozent) und der AfD (67 Prozent) ausgeprägt. Dahinter folgen die Wähler der größten Regierungspartei SPD (61) und der größten Oppositionspartei CDU/CSU (56). Am geringsten ist der Widerstand gegen Waffenlieferungen noch bei den Anhängern der Grünen (55) und der FDP (54).

Deutschland ist an den diplomatischen Bemühungen des Konflikts vor allem über das sogenannte Normandie-Format beteiligt. Das sind Beratungen von Regierungsvertretern Russlands, der Ukraine, Frankreichs und Deutschland. Ziel ist es, die sogenannte Minsker Vereinbarung umzusetzen, die Frieden zwischen den prorussischen Separatisten und den Regierungstruppen in der Ostukraine bringen soll. Seit Jahren gibt es keine Fortschritte. Am Mittwoch wurden die Verhandlungen aber nach Monaten Funkstille zunächst von den außenpolitischen Beratern der Staats- und Regierungschefs wieder aufgenommen.

Sympathien für Inbetriebnahme von Nord Stream 2 überwiegen

Bei der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 überwiegen bei den Deutschen die Sympathien für eine Inbetriebnahme. 47 Prozent befürworten die Gasleitung von Russland nach Deutschland, 33 Prozent lehnen sie eher ab. 19 Prozent machen keine Angaben.

Auf die Frage, ob die Pipeline ein Sanktionsinstrument bei einem russischen Angriff auf die Ukraine sein sollte, gibt es kein ganz eindeutiges Ergebnis. 43 Prozent sind für Konsequenzen für die Pipeline im Ernstfall. 33 Prozent sind auch dann noch dagegen. Eine Mehrheit für Nord Stream 2 als Sanktionsinstrument gibt es nur bei den Wählern der Grünen (63 Prozent) und der SPD (54 Prozent).

Die Bundesregierung hat für den Fall eines russischen Angriffs alle Optionen auf den Tisch gelegt, aber nicht genauer definiert, was das tatsächlich bedeuten kann. Dass der Stopp von Nord Stream 2 eine Option sein kann, haben Scholz und Baerbock aber deutlich gemacht.

 
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