Als eine „gigantische Herausforderung“ hat Regierungspräsident Paul Beinhofer bei der Schuljahresauftakt-Konferenz der Regierung von Unterfranken am Donnerstag die Beschulung junger Flüchtlinge bezeichnet. „So viele Flüchtlinge wie in den letzten Jahren kommen nicht mehr – aber jene, die jetzt kommen, sind häufig Analphabeten“, so Beinhofer. Während im Jahr 2015 oft Flüchtlinge aus Syrien gekommen seien, einem Staat mit vergleichsweise hohem Bildungsniveau, stammten mittlerweile viele Flüchtlinge aus Afrika. Viele könnten weder lesen noch schreiben; andere schrieben nur in arabischer Schrift. Maximal ein Drittel der jungen Migranten kenne sich mit der europäischen Schrift aus.
Neun Prozent der Schulabgänger ohne Abschluss
Das niedrige Bildungsniveau vieler Migranten hat Folgen: Viele von ihnen verlassen die Schule ohne Abschluss. Wie Sachgebietsleiter Bertram Odoj mitteilte, zählte man Ende des vergangenen Schuljahres in Unterfranken rund 380 Schulabgänger ohne Abschluss. Jugendliche ohne Schulabschluss machen in Unterfranken mittlerweile rund neun Prozent der Abgangsschüler aus; damit liegt Unterfranken im Landesdurchschnitt. Noch vor einigen Jahren lag in Unterfranken die Zahl der Abgänger ohne Abschluss bei einem Prozent.
Mehr Berufsintegrationsjahre für Flüchtlinge
Was passiert mit Migranten ohne Abschluss? „Wir versuchen, sie in Berufsintegrationsklassen zu bringen“, hieß es. 90 Klassen mit 1850 Schülerplätzen bieten Unterfrankens Berufsschulen heuer. Wie der Leiter der Abteilung Schulen, Gustav Eirich, auf Anfrage bestätigte, hat die Regierung Konsequenzen aus dem Umstand gezogen, dass zwei Berufsintegrationsjahre für einen beachtlichen Teil der Flüchtlinge zur Vorbereitung auf eine berufliche Ausbildung nicht reichen. Deshalb werden Beinhofer zufolge ab diesem Schuljahr den zwei Berufsintegrations-Jahren neue „Deutschklassen“ sowie eine Vorklasse vorgeschaltet. „Neben der Alphabetisierung beziehungsweise Sprachförderung wird auch die intensive Wertevermittlung Gegenstand dieses Vollzeitangebots sein“, hieß es.
Neu im Lehrplan: Werteerziehung
„Werterziehung und kulturelle Bildung“ für Schüler mit Migrationshintergrund ist laut Regierung von Unterfranken bayernweit in diesem Schuljahr ein großes Thema – nicht nur an Berufsschulen, sondern auch in den bisher sogenannten Übergangsklassen für Flüchtlinge an Grund- und Mittelschulen, die jetzt „Deutschklassen“ heißen. Diese Deutschklassen an Schulen sollen laut Regierung in ihrer Zusammensetzung stabiler als bisher sein; und sie sollen, dem neuen Lehrplan folgend, den Fokus stärker legen auf die Vermittlung kultureller Werte. Auf die Frage, was darunter zu verstehen sei, hieß es: Vermittelt werden solle den Flüchtlingen, dass Frauen hierzulande gleiche Rechte hätten und sich keinen Bekleidungsvorschriften zu unterwerfen hätten. „Wir hatten öfter mal Fälle, wo Schüler Lehrerinnen aufgefordert haben, keine nackte Haut zu enthüllen“, hieß es; außerdem Fälle, wo Lehrerinnen an unterfränkischen Schulen von sich aus Strickjacken übergezogen hätten, um Schüler nicht zu provozieren. Auch die Rolle von Lehrern und Polizisten solle thematisiert werden.
Regierung mit Lehrerzuweisung zufrieden
Mit der Lehrerversorgung in Unterfranken zeigten sich Verantwortliche der Regierung trotz des chronischen Mangels an Grundschullehrern zufrieden. Wie bereits im Vorjahr habe Bayern alle ausgebildeten Grund- und Mittelschullehrer bis zur Examensnote 3,5 eingestellt. Unterfranken bekommt 266 neue Lehrer; die gleiche Zahl von Lehrern geht allerdings in den Ruhestand. Von den neuen Lehrern werden 151 gleich verbeamtet. 90 weitere Pädagogen qualifizieren sich binnen zwei Jahren zum Grundschullehrer und können dann Beamte werden. 25 Lehrer arbeiten mit einem Anstellungsvertrag. Der Vertreter des unterfränkischen Lehrerverbands, Gerhard Bleß, forderte angesichts schwieriger Unterrichtsbedingungen Geldmittel für zwei Lehrer pro Klasse.
Start ins neue Schuljahr in Unterfranken
Grundschulen: 10 495 Kinder aus Unterfranken gehen am kommenden Dienstag zum ersten Mal in die Schule. Die Schulanfänger werden eine von insgesamt 252 staatlichen oder eine von 18 privaten Grundschulen besuchen. Anders als in Oberbayern ist in Unterfranken laut der Regierung die durchschnittliche Schülerzahl pro Klasse erfreulich niedrig: für dieses Schuljahr liegt sie bei 20 Schülern pro Klasse. Die niedrige Schülerdurchschnittszahl beruht auch darauf, dass sich Unterfranken vergleichsweise viele kleine Grundschulen mit sehr niedrigen Klassenstärken in kleinen Orten leistet. Insgesamt besuchen heuer fast 42 000 Grundschüler und fast 20 000 Mittelschüler Unterfrankens Schulen. Damit sind die Schülerzahlen in Unterfranken auf stabilem Niveau.
Mittelschulen: In den Mittelschulen (früher: Hauptschulen) ist die durchschnittliche Schülerzahl pro Klasse in Unterfranken sogar noch niedriger als in den Grundschulen; sie liegt bei 19 Schülern. In Unterfranken gibt es 107 Mittelschulen mit 1037 Klassen. Neu in diesem Schuljahr: die Balthasar-Neumann-Mittelschule in Werneck wurde zur „Kunstmittelschule“ für Schüler mit künstlerischem Interesse ernannt.
Förderschulen: Obwohl immer mehr reguläre Grund- und Mittelschulen zu Schulen mit dem Profil Inklusion umgewidmet werden und behinderte Kinder diese Schulen besuchen können, sind die Schülerzahlen bei den Förderschulen leicht angestiegen. 6261 Schüler besuchen in Unterfranken Förderzentren. „Eltern schätzen die sehr individuelle Förderung“, hieß es. Die Johannes-de-la-Salle Berufsschule in Würzburg gilt jetzt als Schule mit dem Schulprofil Inklusion. An den unterfränkischen Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung wird mit einem Zuwachs gerechnet.