Es ist vollbracht, und Karl Valentin hat recht! Weihnachten ist geschafft, wir auch – nicht ganz konfliktfrei, aber ohne Mord, Totschlag und Privat-Insolvenz. Mit zwei Kilo Kummerspeck mehr, dem Kratzer im Gesicht vom Christbaum und der Hoffnung, nie mehr „Last Christmas“ von Wham zu hören – mindestens bis Oktober 2020. Karl Valentins Spruch fiel mir erstmals ein, als der (frisch geschiedene) Nachbar unüberhörbar vom Weihnachtsmarkt heimgestolpert kam und (vom Glühwein befeuert) im Treppenhaus „Stille Nacht“ sang. Je näher der Heilige Abend rückte, desto häufiger dachte ich an Valentin, am Ende fast stündlich. Als wir – obwohl ich das hasse – von einem vollen Laden zum nächsten hetzten, für Pflichtgeschenke, die von Herzen kamen: Socken für Onkel Karl, Seife für Gundula, Udo-Jürgens-CD für Oma Paula und Kino-Gutschein für den Neffen Maik – Kleinigkeiten fürs große Gefühl unterm Baum. Der hätte um ein Engelshaar zur Familienfehde geführt: Tanne oder doch Kunstbaum, der nicht nadelt? Bio oder Plantagenzögling? Echte Kerzen und Lametta? Und wo ist der Christbaumständer? Karl Valentin, hilf! Viele Plätzchen: Heinerle, Kokosmakronen und Zimtsterne. Sind die von Oma besser? An Heiligabend will man Wham verfluchen und den Baum im Kamin verfeuern. So wie ich muss sich Geschenkpapier nach der Bescherung fühlen. Im Treppenhaus sitzt der einsame Nachbar, mit Chianti im Arm und säuselt „Schlaf in himmlischer Ruh“. Er darf in meinen Ohrensessel, schließt kurz die Augen – und zitiert Karl Valentin: „Wenn die stille Zeit vorbei ist, dann wird es auch wieder ruhiger!“
Unterm Strich: Weihnachten ist geschafft
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