zurück
Unterm Strich: Schulisches Schönsprech
Elmar Hochholzer
 |  aktualisiert: 02.04.2019 11:10 Uhr

Vor das Zeugnis haben die Schulgötter neben gewissen Anstrengungen vor allem schülergerechte Bespaßung gesetzt. Unterricht soll ja primär ein Event mit erhöhtem Fun-Faktor in einer „Location“ sein, die sich Klassenzimmer nennt. Und die Lehrer, diese „faulen Säcke“ (der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder), legen sich denn auch bei den berühmten „Bemerkungen über Anlagen, Verhalten und Mitarbeit“ im Zeugnis mächtig ins Zeug. Längst schon sind sie getrimmt auf ein schulisches Schönsprech, um besonders die Eltern nicht zu traumatisieren oder gar zu stigmatisieren. Ihnen fallen dabei sprachliche Weichspüler ein, besonders wenn das Notenbild ein sogenanntes „bewegtes“ oder das Schülerverhalten Sechs minus ist. Timo fiel diesbezüglich auf. Er wird dann entweder als „verhaltensoriginell“ oder als „Schüler mit Luft nach oben hinsichtlich der sozialen Kompetenz“ charakterisiert. Zeichnete er sich auch noch durch Zuspätkommen aus, wird ihm eine „individuelle Zeiteinteilung“ attestiert. Erwies sich Luisa-Zoe als eher zickig und launisch, wird sie im Zeugnis als „emotional flexibel“ beschrieben. Unterrichtsstörende Macken fallen unter „special effects“. Freche Schüler geben sich schlicht „verbal überlegen“. Waren Michis Unterrichtsbeiträge kaum mehr als gestammeltes Schweigen, finden sie sich im Zeugnis als „kommunikativ unscharf“ wieder. War schließlich jemand etwas schwer von Begriff trotz forcierten, digital gestützten Unterrichts mit Eventcharakter, dann ist er eben „intellektuell eher unaufdringlich“. Note Eins für solche rhetorischen Glanzleistungen!

Immer informiert sein und
14 TAGE GRATIS testen
  • Alle Artikel in der App lesen
  • Bilderserien aus Mainfranken
  • Nur 9,99€/Monat nach der Testphase
  • Jederzeit monatlich kündbar