Auh die digitale Hinterlassenschaft, das haben wir in diesen Tagen gelernt, ist Teil des Nachlasses, kann vererbt werden wie Geld, Grund oder ein Tagebuch. Da sammelt sich was an in zehn Jahren Facebook und Twitter und wer weiß, welche Schätze die Erben noch auf Onkel Ottos Instagram-Konto, von dem sie bisher noch gar nichts wussten, finden. Erbstreitigkeiten ganz neuer Art nach dem Motto – wer darf die Urlaubsfotos behalten und wer bekommt die virtuelle Sammlung philosophischer Kalenderblätter, bahnen sich an. Ottos letztes Selfie – als er am Abgrund stand und sich noch nicht weit genug entfernt vom Bildschirm wähnte – und einen Schritt zurücktrat – wird zum juristischen Zankapfel. Wer jetzt sagt, „Was soll ich mit dem alten Kram, einfach löschen“, hat ja recht, aber vergisst, was es alles noch virtuell zu vererben gilt. Musikbibliotheken zum Beispiel, mit allen 163 Frank-Zappa-Alben oder eine Hörbuchsammlung, deren Bestand knapp unter dem der British Library liegt. Das muss man erst mal stemmen können als Erbe. Am interessantesten aber finde ich, dass auch der E-Mail-Verkehr regulärer Teil des Erbes ist. Bei mir würden sich da gut 20 Jahre alte Raritäten wie „Test 1“ und „Noch ein Test“ finden, nur gekrönt von „Test 3“ mit der Betreffzeile „Hoffentlich ist der Dreck jetzt angekommen“. Das hat schon was, wird vielleicht ob seiner Einmaligkeit einmal die „Blaue Mauritius“ der E-Mail-Geschichte. Obwohl ich eher glaube, dass sich die Erben, so technikbegeistert sie auch sein mögen, dann doch lieber ein richtiges Oldschool-Briefmarkenalbum gewünscht hätten.
Unterm Strich: Mein digitales Erbe
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