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Unterm Strich: In Richtung Paradies
Helmut Glauch
Helmut Glauch
 |  aktualisiert: 22.08.2020 02:10 Uhr

In Pandemiezeiten sind nicht nur das Händeschütteln oder das fröhliche Knuddeln, wenn man sich lange nicht gesehen hat, vom Aussterben bedroht. Auch andere, sowieso schon etwas in Vergessenheit geratene Gewohnheiten und Aktivitäten werden Kapitel für das dicker werdende Geschichtsbuch mit dem Titel „Weißt du noch, früher. . .“. Zum Beispiel die Angewohnheit, per Anhalter zu reisen. Schon im Mittelalter ließ man sich als Wanderbursch gerne von einem Pferdefuhrwerk mitnehmen: Sehr viel später stellte man sich hoffnungsfroh mit einem Pappschild, auf dem „Amsterdam“ oder „Berlin“ stand, an die Autobahn. Vor allem junge Menschen mit wenig Geld und viel Reiselust kamen so viel rum in einer Welt, in der man sich weniger misstrauisch begegnete als heute. Der Verfasser dieser Zeilen hat es einst so immerhin bis zum Ätna und quer über die britischen Inseln geschafft. Klar, schon damals wurde geschummelt. Die Freundin mit dem Daumen im Wind an die Straße stellen und dann schnell von hinterm Busch dazuspringen, wenn einer anhielt, war schon fragwürdig. Bis heute frage ich mich, ob dass mit ein Grund gewesen sein könnte, dass aus der Freundin dann doch nicht die Frau wurde. „Trampen“ war auch eine Art Generationenvertrag. Jeder, der mal so unterwegs war, hat später als Autofahrer gern andere Leute mitgenommen – auch die „Hintermbuschvorspringer“. Vielleicht mache ich mir den Spaß und stelle mich als Rentner mit Rollator noch mal an die Straße. Pappschildaufschrift „Paradies!“ Mal sehen, ob jemand das gleiche Ziel hat und mich mitnimmt.

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