Gute Hymnen sind herrlich altmodisch. Wer nicht Gänsehaut bekommt, wenn aus 70 000 Kehlen in einem Fußballstadion „You never walk alone“ ertönt, ist ein frigider Frosch. Und wer erinnert sich nicht schaudernd an das Hymnen-Duell in „Casablanca“, wenn erst die Nazis „Die Wacht am Rhein“ grölen – und dann pathetisch von der „Marseillaise“ niedergeschmettert werden? Okay, der Text-Aussetzer „Brüh' im Lichte dieses Glückes“ von Sarah Connor war ein Tiefpunkt der Hymnen-Kultur in deutschen Fußballstadien. Aber wir sind den Sportfreunden Stiller ewig dankbar für „54, 74, 90, 2006“. Der HSV hat seine Hymne „Hamburg, meine Perle“ gerade als veraltet entsorgt. Macht nichts, Udo Lindenbergs „Reeperbahn“ ist sowieso schöner. Unwahr ist, dass fanatische Feministinnen beim Singen der Ode an die Freude „alle Männchen werden Brüter . . .“ singen, und die Weight Watchers „Wir wollen nie mehr auseinandergehen!“ Aber nun sorgt ein Gag der CDU Brandenburg im Landtagswahlkampf für Furore. „Märkische Heide, märkischer Sand“ war denen wohl zu bieder. Man komponierte eine eigene Hymne auf Spitzenkandidat Ingo Senftleben, mit Textzeilen wie „Mit wem kann man auch mal ein' heben? Ingo Senftleben“. Ein CDU-Sprecher sagt, in der Hymne „werden unsere Themen in lockerer und witziger Weise verpackt“ und das sei „ein richtiger Ohrwurm“. Er meint wohl die Zeilen „Wer macht auch die Bauern froh? Ingo! Ingo! … Haut Verbrechern auf den Po? Ingo! Ingo“. Gegen diese Hymne klingt sogar Sarah Connors „Brüh‘ im Lichte dieses Glückes“ wie reine Poesie.
Unterm Strich: Höhepunkte der Hymnen-Kultur
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