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Unterm Strich: Durchblick beim Augenarzt
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 19.05.2019 02:11 Uhr

Ab einem gewissen Alter ändert sich alles. Man glaubt nicht mehr an die heilende Kraft von Gelbwurst. Werbung für Treppenlifte nimmt man anders wahr. Man muss sich zunehmend von sich selbst erholen. Meinungsstabilität wird als Sturheit ausgelegt. Männer trifft es besonders hart: Sie müssen erkennen, dass das Schweigen einer Frau tatsächlich zu den Naturgewalten gehört. Vor allem aber müssen Männer zum Arzt. Beim Urologen, bis dahin nur ein Begriff, eröffnen sich neue Welten. Kaum ist das vollbracht, steht die erste Begegnung mit dem Augenarzt an. Davor war alles so wunderbar einfach: Was man nicht sehen wollte, sah man nicht. Gewisse Unschärfen gehörten zum Leben. Sehenden Auges blind zu sein – durchaus möglich. Wir sahen, was wir wollten. Wer klar sehen wollte, musste nur die Blickrichtung wechseln. Der Durchblick war immer da. Und jetzt? All das gilt nicht mehr und wird ersetzt durch Begriffe wie Sehstärke, Linsentrübung und Glaukom. Alles dreht sich um Augeninnendruck-Messung und Gesichtsfeld-Untersuchung. Sie schießen dir Luft ins Auge und du darfst dich nicht wehren. Nicht mehr dem Schweigen der Frauen gilt die größte Sorge, sondern dem geordneten Abfluss des Kammerwassers. Es will verstanden werden, was der Augenarzt genau meint, wenn er „Hmmm!“ oder „Eiei!“ sagt. Das „Wir sehen uns!“ zum Abschied ist nur bedingt tröstlich. Zumal schon ein Besuch beim Ohrenarzt ansteht, weil da diese Stimmen sind: Bei ihren heimlichen Treffen im Gesichtsfeld hat die Sehstärke mit der Linsentrübung angefangen, über mich zu lästern.

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