„Stabilität“ – das soll die zentrale Botschaft der CSU in den letzten Tagen des Landtagswahlkampfes sein. Gemeint ist natürlich Stabilität für Bayern durch ein möglichst gutes CSU-Wahlergebnis. Doch mit der eigenen Stabilität scheint es in der Partei vor dem Hintergrund dauerhaft miserabler Umfragewerte längst nicht mehr so gut bestellt, wie die Spitzenleute gerne öffentlich glauben machen wollen. Kurz gesagt: Die CSU-Nerven liegen blank.
Stamm „fassungslos“ über Seehofer
So äußerte sich Landtagspräsidentin Barbara Stamm in einer Sitzung des Parteivorstands am Montag dem Vernehmen nach „fassungslos“ darüber, dass Parteichef Horst Seehofer das Treffen vorzeitig verließ, weil am Abend in Berlin ein Koalitionsgipfel anstand. Es sei eine Frage des Stils für den Parteivorsitzenden, bis zum Ende der Sitzung zu bleiben, wird sie weiter zitiert.
„Ich bin fassungslos über die Terminierung in Berlin“, bestätigt Stamm zwei Stunden nach der Sitzung auf Nachfrage dieser Redaktion. Schließlich habe die Parteiführung wegen des engen Zeitplans nicht mehr ausreichend über die CSU-Position etwa zur Diesel-Krise diskutieren können – weil Seehofer und auch CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer da schon weg gewesen seien. Ist das ein direkter Vorwurf an Parteichef Seehofer? „Das hätte er schon anders regeln können“, antwortet Stamm.
CSU-Frust: Schuld ist Berlin
„Donnernden Applaus“ habe die Würzburgerin für ihre emotionale Wortmeldung in der Sitzung bekommen, berichten Sitzungsteilnehmer. Auch sei Stamm längst nicht die einzige gewesen, die ihren Unmut deutlich machte: Weitere Redner wie die Ex-Minister Thomas Goppel oder Ludwig Spaenle hätten ihrem Frust mit Seehofer und der CSU-Politik in Berlin freien Lauf gelassen – nach Seehofers Abfahrt. Gemeinsamer Nenner: Der Grund, warum der CSU in Bayern die Wähler weglaufen, liege zuallererst in Berlin.
„Das ist der modernste Sport im Moment: Ich bin an allem schuld“, argwöhnte Seehofer bereits vor der Sitzung. Diese Aussage bezog sich zwar auf Kritik an ihm aus der SPD – für die CSU gewinnt sie allerdings ebenfalls an Wahrheitsgehalt. Schon seit Wochen mokieren sich die bayerischen CSU-Wahlkämpfer über die immer neuen selbst gezündeten Lunten aus Berlin, die sie in der Münchner Wahlkampfzentrale dann eiligst austreten müssten: vom Asylstreit über die Personalie Maaßen bis zum Diesel. Die Kritik an Seehofer aber derart offen in einer Gremiensitzung auszusprechen, sei „eine neue Dimension“, findet ein Vorstandsmitglied.
Ministerpräsident Markus Söder wirkt derweil immer verzweifelter in dem Versuch, selbst Wahlkampf-Themen zu setzen: „Die zentrale Frage wird sein, Bayern in den Fokus zu rücken und in Berlin nichts Falsches zu machen“, gibt er als Losung für den Wahlkampf-Endspurt aus. Es gehe am 14. Oktober doch nicht um die Bundesregierung, sondern um Bayern, fleht er fast. „Auf eine Emotion des Nachdenkens“ bei den Wählern setzt er deshalb: „Das Umdenken zu Bayern, weg von Berlin findet statt.“ Es klingt wie Söders Version vom Prinzip Hoffnung.
Söder: Keine Rückendeckung für Seehofer
Die Angst vor weiteren Störfeuern aus Berlin ist jedenfalls gewaltig im Söder-Lager. Auch wird in der CSU längst offen diskutiert, wie lange Seehofer nach der Wahl noch Parteichef bleiben kann. In der Pressekonferenz nach der Vorstandssitzung lehnt Söder es jedenfalls ab, sich demonstrativ hinter Seehofer zu stellen – und reicht die an ihn gerichtete Frage an CSU-Generalsekretär Markus Blume weiter.
„Wir machen keine Personalspielereien“, lässt Söder sich dann zwar noch entlocken. Und fügt einen Satz an, der die aktuelle Verunsicherung der Partei gut widerspiegelt: „Wir wollen die nächsten zwei Wochen und darüber hinaus versuchen, die Stabilität auch als CSU zu zeigen.“