Wer kennt das nicht? Mit diesen goldenen Worten fangen viele Texte von Medienschaffenden an, die – welches Thema auch immer sie behandeln – um Zustimmung heischen und die Leser mittels dieses billigen rhetorischen Tricks einzufangen versuchen. „Wer kennt das nicht? Wenn man nach Jahren zufällig auf den Ex trifft, und zu allem Überfluss kribbelt?s sofort wieder im Bauch“, heißt es in der Ankündigung eines Musicals. „Wer kennt das nicht? Im Kühlschrank liegen schlappe Karotten neben welkem Salat, darüber wartet ein gelb verfärbter Brokkoli“, schreibt eine Zeitung. „Wer kennt das nicht? Man möchte ins Restaurant gehen und ist unentschlossen“, schreibt das „Handelsblatt“. „Wer kennt das nicht? Der Motor ist aus, man will eigentlich aussteigen, aber die Radiosendung ist so fesselnd, dass man einfach sitzen bleibt“, behauptet eine Werbung für das Radio. „Wer kennt das nicht? Man steht am Ostersonntag morgens auf, macht sich Kaffee, und zack – zwei Stunden später ist schon wieder Dezember“, behauptet ein Kabarettist. „Wer kennt das nicht? Man ist auf der Baustelle, muss eine Leiste ablängen und hat keine geeignete Auflage“, lese ich auf Pinterest. Und ein Rezept für Brennnesselsuppe fängt tatsächlich mit diesen Worten an: „Wer kennt das nicht? Man steht plötzlich in kurzer Lederhose vor einem riesigen Brennnesselfeld, und es gibt keinen Weg zurück.“ Nun, ich will Ihnen etwas verraten: Ich kenne das alles nicht. Und, ganz ehrlich, ich will es auch gar nicht kennenlernen. Vielleicht geht es Ihnen genauso, und deshalb frage ich Sie: Wer kennt das nicht?
Scheurings Wort zum Samstag: Wer kennt das nicht?
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