Als Kind habe ich gelernt, dass man das böse Wort „Scheiße“ nicht sagen soll. Daran versuche ich mich auch heute noch zu halten, auch wenn es manchmal schwerfällt. Andere haben weniger Bedenken, das Wort in den Mund zu nehmen – besonders dann, wenn es nicht um das Verdauungsprodukt an sich geht, sondern um den neuesten „heißen Scheiß“. Eine PR-Initiative stellt aktuelle digitale Trends als „neuen heißen Scheiß der Kommunikation“ vor. Ein DJ legt angeblich „heißen Scheiß“ aus Soul, Jazz und Funk auf. In Paris sollte man laut „Die Zeit“ immer „den heißesten Scheiß anhaben“. Der Firma Apple dagegen, mäkelt ein Experte, fehle „der nächste heiße Scheiß“. Mag er hier und da auch fehlen, sprachlich breitet sich der Begriff, der für eine total angesagte Sache steht, weiter aus. Die „Braunschweiger Zeitung“ schreibt über VW: „Heißer Scheiß in Wolfsburg“. Eine Grünen-Politikerin meinte nach einem ernüchternden Wahlergebnis, die Themen ihrer Partei würden wohl nicht als „heißer Scheiß“ wahrgenommen. Der Deutsche Journalistenverband spürt dem „nächsten heißen Scheiß“ nach oder bezeichnet die Video-App TikTok – orthografisch apart – als „heißen Shice“. Es ist, man kann es in diesem Kontext nicht anders sagen, der pure Scheiß. Eine Erscheinung der neuesten Zeit? Weit gefehlt! In Johann Fischarts „Geschichtklitterung“ aus dem Jahr 1575, einem der bedeutendsten Werke der deutschen Literatur, steht: „Ey das müßt eim doch gar ein heissen Scheiß einjagen.“ Das Buch ist heute allerdings nur noch wenigen bekannt, offenbar zählt es also nicht mehr zum heißen Scheiß.
Scheurings Wort zum Samstag: Manche mögen's heiß
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