Was bin ich? Das heitere Beruferaten, das Robert Lembke einst in seiner TV-Quizshow veranstaltete, stünde heute vor großen Herausforderungen. Denn wie könnten Kandidaten zeitgemäße Berufe wie Wolfsmanager, Biberberater, Chief Executive Officer oder Senior Vice President erraten? Neue Berufsbilder machen sich auch im Journalismus breit. Früher arbeiteten Journalisten als Redakteure, Reporter, Ressortleiter oder Getränkewart. Das genügt heute natürlich nicht mehr. Ich lese daher mit großem Interesse in einem Fachmagazin Mitteilungen darüber, wer in deutschen Medien welche neuen Posten übernimmt. Einer arbeitet jetzt als Editorial Head of New Platforms, ein anderer als Head of Data Intelligence. Einer, der bisher als Manager Business Development tätig war, wird Chief Innovation Officer. Ein Kollege, bislang Head of Branded Entertainment, ist nun Head of Social Media Business. Ein anderer arbeitet als Director Digital Growth. Eine sehr resolut dreinblickende Dame darf sich nun Chief Publishing Officer nennen, eine zweite Head of Audience & Content Development, eine dritte zeichnet verantwortlich für den Newsletter Background Verkehr & Smart Mobility. Schade, dass sie das Wort Traffic noch nicht draufhaben. Wer sich kein Bein mehr herausreißen muss, kann ganz bequem als Editor-at-large herumlatschen. Ich will jetzt auch noch mal einen Zahn zulegen und bewerbe mich daher als Head of Digital Power Poser oder als Senior Vice Director of Smart Gaga Content Growth. Wer weiß, vielleicht braucht ein Medienunternehmen genau so jemanden gerade dringend.
Scheurings Wort zum Samstag: Heiteres Beruferaten
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H. Scheuring bemängelt das fehlende individuelle Bewusstsein, mit dem man die saloppe Lässigkeit einer Sprache besser in Grenzen hält. Grenzen, welche von der Eitelkeit und Selbstgefälligkeit befreit sind, und das Intellektuelle überwinden. Die Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit einer Sprache wird nicht durch eitle Übersteigerung einer Fremdsprache gewonnen. Mit seinem Begriff vom "Senior Vice Director of Smart Gaga Content Growth" ist Scheuring bis an die Schmerzgrenze des guten Geschmacks gegangen. Das muss man ihm erst einmal nachmachen: in eine übertriebene Anhäufung von Begriffen noch einen unmissverständlichen Sinn zu bringen, ist nicht jedermanns Sache.
Allerdings gibt es die Probleme diese richtig zu deuten, denn die Berufsbezeichnungen entspringen einer völlig neuen Sparte, welche ihren Weg in die alltägliche Gewöhnung erst noch bahnen muss. Mit der Weltordnung, die ein Napoleon Europa diktierte, kamen Begriffe nach Bayern wie das Wort Fisimatenten, oder Amüsement. Diese Wörter waren damals exotisch und sind heute dabei vergessen zu werden. Das Englische hat sich die Vorherrschaft erworben, und von daher werden ganze Berufsbezeichnungen umgemodelt.
Dabei kommt es zu Verständnisschwierigkeiten, die im Gewande der Borniertheit daherschleichen. Scheuring kritisiert das zu recht.