Rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse sind wieder dicke Literaturbeilagen erschienen, für die Kritiker zum Teil völlig wahnsinnige Buchbesprechungen geschrieben haben. Die finden sich dann später oft auszugsweise in der Verlagswerbung wieder. Das kann dazu führen, dass auf dem Klappentext eines Romans steht, er verdichte „in der schönsten und klarsten Sprache, die in Deutschland zurzeit geschrieben wird, Erfahrung und Empfindung“ – obwohl sich das Werk bei der Lektüre als ermüdendes und unerträgliches Geschwafel erweist. Der Kritiker einer großen Wochenzeitung attestiert einem anderen Buch – Thomas Lehrs Roman „Schlafende Sonne“ – im Bemühen um das „Verstehenwollen der eigenen, interstellar organisierten Existenz“ ein „asteroidenhaftes Rauschen“, eine „spiralhafte Geometrie“ des Textes sowie ein „Eiltempo der mäandernden Erzählpolyphonie“, das ein „Surren und Fiepen im Kopf“ entstehen lässt. Es ist schon sagenhaft, was in Literaturspalten zuweilen verzapft wird. Über Salman Rushdies neuen Roman „Golden House“ schreibt ein Kritiker allen Ernstes: „Jeder Satz glitzert, jedes Wort ist golden“.
Jedes Wort, klar. Das waren nur drei Beispiele, mehr verkrafte ich gerade nicht. Daher verabschiede ich mich, Erfahrung und Empfindung verdichtend und das Verstehenwollen meiner eigenen, interstellar organisierten Existenz aufgebend, mit diesen glitzernden Sätzen in der schönsten und klarsten Sprache von der mäandernden Erzählpolyphonie und der spiralhaften Geometrie dieses Textes, bevor das Surren und Fiepen in meinem Kopf überhand nimmt.