Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut. Es musste im Lauf der Geschichte immer wieder neu erkämpft werden. „Ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie sie äußern dürfen“, soll einst der Philosoph Voltaire gesagt haben. Das ist eine sehr ehrenwerte Haltung. Vielleicht würde Voltaire heute anders denken, denn zu seiner Zeit gab es das Internet noch nicht. Gerade Meinungsbeiträge, die in den unsozialen Netzwerken oder Online-Diskussionsforen auftauchen, sind oft unbeleckt von jeder Sachkenntnis, bar jeder Vernunft, inhaltlich von einer kaum zu überbietenden Schlichtheit, zuweilen von einer geradezu entwaffnenden Blödheit und schon an Beleidigung grenzenden Dummheit, dass es selbst einem Voltaire die Schuhe ausgezogen hätte. Gut, teilweise handelt es sich nur um harmlose Narren, die das Recht auf freie Meinungsäußerung für sich in Anspruch nehmen. Oft aber versammeln sich im Netz die ungehobeltsten Rüpel (und Rüpelinnen!), – ja, die eingetragenen Mitglieder der Creme de la Creme der Deppenszene. Wenn Albert Einstein heute leben und im Internet seine Relativitätstheorie veröffentlichen würde, müsste er mit Kommentaren wie folgendem rechnen: „Wie blöd muss man denn sein, um so einen Schwachsinn zu verzapfen.“ Manchmal kommt es mir so vor, als sei das Internet eigens eingerichtet worden, um all jene hirnrissigen Kommentare zu verbreiten, die sonst nirgendwo Platz fänden. Das Recht auf Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, klar. Zuweilen beginne ich, an meinen eigenen Grundsätzen zu zweifeln.
Scheurings Wort zum Samstag: Das hohe Gut der Meinungsfreiheit
Themen & Autoren / Autorinnen
Es gibt so viele Menschen mit gebrochenen Biographien. Sie sind von der Freiheit enttäuscht, weil diese die hohen Erwartungen an das Leben nicht erfüllt hat. Sie empören sich über ihre Ich-Schwäche und schieben den Schwarzen Peter immer den anderen zu, weil sie vom Leben erwarten, dass es sich um sie kümmert. Anstatt das Leben selbst in die Hand zu nehmen, erhoffen sie sich die rettende Hilfestellung eines magischen Helfers, welcher sie aus ihrem Dilemma erlöst. Diese Trolle fühlen sich ohnmächtig und brüllen gegen ihre Ohnmacht an. Man sollte sich nicht auf deren Niveau begeben, und an seinen konkreten Vorstellungen von Freiheit festhalten.
Ich denke auch gerne an die Zeit zurück, als jedes Dorf nur seinen einen Deppen hatte.
Ohne das Internet mit seinen asozialen Plattformen hätten viele intellektuelle Tiefflieger überhaupt keine Chance und Gelegenheit sich so lautstark und häufig ausfallend zu Wort zu melden und/oder sich Gehör zu verschaffen.
Steht der Untergang des Abendlandes bevor?
Ich bin gespannt, ob sich in gewisser Hinsicht ein Regulativ bezüglich unserer vielgerühmten Streitkultur einzustellen vermag. Die "Kultur" in dem Wort "Streitkultur" möchte ich hierbei besonders betonen.