Alles wird gut“ lautete der Satz, den einst die Moderatorin Nina Ruge immer am Ende ihrer Sendung „Leute heute“ aufsagte. „Alles wird gut“ ist auch der Titel zahlloser Bücher oder Lieder, mit denen Sangeskünstler wie G. G. Anderson oder der Qualitätslyriker und Feingeist Bushido die Welt beschenkten. Offenbar zeitigten diese Beschwörungsformeln inzwischen den gewünschten Erfolg. Wenn man vielen Leuten heute zuhört, drängt sich die Vermutung auf, dass wirklich alles gut ist. Denn sie antworten auf nahezu jede Frage: „Alles gut!“ Ich denke dann immer: Jetzt ist aber gut! Noch irritierender als die Feststellung, alles sei gut, ist die sicher gut gemeinte, aber letztlich an einer ehrlichen Antwort nicht interessierte Frage: „Alles gut?“ Sie wird ständig und nahezu überall gestellt: am Arbeitsplatz, bei privaten Treffen oder zufälligen Begegnungen auf der Straße. Die Leserin Frau W. schrieb mir: „Handelt es sich eventuell um eine neuartige Pandemie? Wie kann man sich schützen, dass einen diese Wörter nicht krank machen?“ Liebe Frau W., das weiß ich leider auch nicht. Eigentlich müsste auch in den Köpfen jener mit der Gabe der Realitätsverleugnung überreich gesegneten Menschen in einer halbwegs zurechnungsfähigen Minute die Ahnung heraufdämmern, dass nie alles gut ist. Aber vielleicht haben sie eine höhere Bewusstseinsstufe erreicht – gemäß der Erkenntnis des Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben. Oder aber die Alles-gut-Sager nehmen alle sehr gute Medikamente, die ihre Stimmung aufhellen. Kann ich die bitte auch haben?
Scheurings Wort zum Samstag: Alles wird gut
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Apfelkorn Im "Mythos des Sisyphos" spricht A. Camus seinem traurigen Helden jene Freuden an der erschöpfenden Arbeit zu, welche viele aufgrund von vielfältigen Beweggründen nicht mehr aufbringen können. Die Leiden am Arbeitsprozess oder generell am Leben, können mannigfache Ursachen haben. Sisyphos könnte sagen, es wird alles gut. Nämlich dann, wenn der Fels endlich oben liegen bliebe. Doch dieser kollert immer in den Abgrund. Das versursacht Frust, und ob es nun absurd klingt: Es kann keine Gleichgültigkeit eintreten gegenüber einem Schicksal, welches einem alles andere als Wurst sein muss. Nietzsche forderte daher eine "Amor fati". Eine Liebe zum Schicksal. Der Erfolgreiche bemüht sich mit seiner Disziplin solange dem Schicksal zu dienen, solange seine Kräfte nicht erschöpft sind. Bis zur bitteren Neige. Der Revolutionär macht sich zum Herren der Dinge, die ihn versklaven. Von nun an muss er zittern, selbst wieder von anderen versklavt zu werden. Das scheint der Lauf der Welt zu sein. -
Apfelkorn Leibniz hat zwar gesagt, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben, und dafür erntete er in Voltaires "Candide" genügend Spott, denn das Erbeben von Lissabon 1755 ernüchterte alle Optimisten, aber Leibniz war nicht dumm, denn er leugnete die Macht des Bösen nicht. Hiob war ein Beleg dafür, wie man unter all den Problemen, welche ihm das Leben bot, das Prinzip Hoffnung nicht aufgeben sollte, denn letztlich kann sich ein Leben in Wohlgefallen auflösen. Die Einstellung baut sich also das Bewusstsein. Manche verzweifeln, weil auff Erden alles endlich ist., denn Leben heißt sterben. Erfolgreich aber ist der, welcher aus allem das Beste macht. Dann wird vielleicht auch alles wirklich gut.