
Jede Kultur dieser Welt hat so ihre Eigenheiten, ja sogar ihre Höhepunkte. Die Erfindung der Seniorentanzkreise scheint eine deutsche Eigenheit. Auf jeden Fall ist kaum vorstellbar, dass im Land der Azteken, dem heißen und hitzigen, farbenprächtigen Mexiko, die etwas unterkühlte Kultur der Seniorentanzkreise jemals Einzug gehalten haben könnte.
Eine Weltreise auf der Bundesgartenschau
Es müsste nicht beim etwas Unterkühlten bleiben, wenn man zum Beispiel das Seniorinnen-Ensemble der AWO Mannheim machen ließe. Die Seniorinnen wollten zur Bundesgartenschau in ihrer Heimatstadt eigentlich eine gut gelaunte, musikalische Weltreise mit verschiedenen Kostümen und viel Tanz unternehmen. Doch die BUGA-Leitung verbot ihnen die Sombreros - wegen angeblicher kultureller Aneignung.
Es muss für die älteren Damen ein Stich in ihr Tänzerinnen-Herz gewesen sein wie von einem Kaktusstachel der Art Schwiegermuttersessel. Den hatten die alten Azteken übrigens gerne für rituelle Menschenopfer genutzt. Mag sein, dass ein Exemplar der Sukkulente auch auf der Bundesgartenschau zu sehen ist. Immerhin ist eine solche BUGA ja der Ort grenzenloser botanischer Aneignung. Gewächse aus aller Welt kommen zusammen und die eine oder andere muntere Kreuzung ergibt sich im Laufe der Blumenschau, ganz verspielt, ganz ohne politische Hintergedanken.
Ein typisch deutscher Kompromiss
Zur deutschen Kultur gehört das Zustandebringen eines durchdachten Kompromisses. Der sieht nun einen Auftritt der Damen mit Poncho, aber ohne Sombreros vor. Was sollen wir sagen: Wir ziehen vor dieser Glanzleistung deutscher Gründlichkeit unseren Hut - und gönnen uns unter den Klängen von "Fiesta Mexicana" einen landestypischen Tequila.
Wir haben in Deutschland inzwischen eine hausgemachte Problemszenerie, der immer schwerer beizukommen ist, je weiter man sie gewähren lässt
Ich hoffe das wurde ebenfalls geregelt.
Oder die immer mehr um sich greifende (Un-)Sitte, dass überall Osterbrunnen stehen - weil es halt schön ist! Hat mit dem Sinn eines Osterbrunnens aber nix zu tun - man brachte seine Dankbarkeit für das Lebensabende Wasser zum Ausdruck und bat um Gottes Segen für das kommende Jahr - und zwar an OSTERN! Die Brunnen werden dort, wo sie herkommen und der Brauch noch nach seinem Sinn gelebt wird, in der Karwoche geschmückt und sind dann die Osterzeit so zu sehen. Wo man sich diesen Brauch „kulturell angeeignet“ hat, geschieht das ohne den Sinn - meist schon in der Fastenzeit - und nach Ostern sind die grünen Girlanden schon so vertrocknet, dass es nicht mehr schön ist und sie bald abgebaut werden. dAS ist kulturelle Aneignung - nicht wenn eine Musik- / Tanzgruppe Lieder aus anderen Ländern aufführt - in passender Kleidung!
Mit dem selben Argument könnte ich jedem Restaurant verbieten, Pizza zu verkaufen - wenn der Wirt nicht selber Italiener ist!
Unsere Gesellschaft(en) entwickeln sich seit Jahrtausenden durch gegenseitigen kulturellen Austausch! Und es ist doch immer noch ein Unterschied, ob ich - wie hier bei den Senioren - etwas in einem kulturellen Programm präsentiere (eine "musikalische Weltreise" bringt es zwangsläufig mit sich, dass auch andere Kulturen vorkommen - und die möglichst authentisch präsentiert werden sollen!) - oder ob ich in herabwürdigender Weise etwas veräppel!
Wie schrieb einst Heinrich Heine: "Denk ich an Deutschland in der Nacht Dann bin ich um den Schlaf gebracht, Ich kann nicht mehr die Augen schließen, Und meine heißen Tränen fließen."
Auweia... armes Deutschland.