In Krisenzeiten haben es Parteien der Opposition erfahrungsgemäß schwer eigene Akzente in der öffentlichen Debatte zu setzen. Im Moment überschattet Corona alle anderen Themen. Es ist daher auch richtig und wichtig die Regierungsarbeit anhand ihrer Maßnahmen kritisch zu betrachten und gerade die Bevölkerungsschichten in den Mittelpunkt zu stellen, welche kaum einflussreiche Lobbyisten an Ihrer Seite wissen. Dort unterscheiden sich die Grünen schon deutlich von der FDP, die sich wie üblich die Appelle der eh schon mächtigen Wirtschaftsverbände zu eigen macht. Die Herausforderung der Gegenwart ist und bleibt allerdings der von Menschen verursachte Klimawandel. Winfried Kretschmann führte in seinem Beitrag zum Parteitag zurecht an, dass es für diesen, anders als beim Coronavirus, nie einen Impfstoff geben wird. Es wäre doch ein Treppenwitz der Geschichte, wenn wir jetzt mithilfe von Experten und Wissenschaftlern erfolgreich eine globale Pandemie überstehen, nur um anschließend durch eine falsche Priorisierung und dem fortgeführten Ignorieren der Klimaforscher das Aussterben der gesamten Menschheit zu verschulden.
Thomas Lauer, 97199 Ochsenfurt
Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) will ein individuelles Recht auf Homeoffice gesetzlich regeln. Damit wäre per se auch ein strukturelles Recht auf Dezentralisierung der Arbeit verbunden. Daher ist die Initiative grundsätzlich zu begrüßen. Corona hat alle bisherigen Widerstände gegen Telearbeit überwunden und das Homeoffice hoffähig gemacht. Das ist zwar für den Moment (der aktuellen Krise) eine gute Nachricht, jedoch auf Dauer keine Ideallösung. Daher muss davor gewarnt werden, das Homeoffice jetzt hochzujubeln, um nach der Krise den geringsten Anlass zu finden, das Modell nur als Notbehelf, auf Dauer jedoch für unbrauchbar zu erklären. Dabei ist es aller Anstrengungen wert, wenn wir es schaffen, dass die Arbeit (nach 200 Jahren wieder) zum Menschen kommt statt umgekehrt. 40 Prozent der Arbeit sind laut einer Studie, auf die sich Minister Heil beruft, derzeit schon telearbeitsfähig. Wohnen, Schlafen, Kinder und Heimarbeit – das alles in den eigenen vier Wänden ist jedoch auf Dauer nicht besonders human. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Er bedarf der Gemeinschaft. Es sind Interessen von Wirtschaft und kommunaler Macht, die meinen, alles in den Ballungsräumen konzentrieren zu müssen. Es gehe nur darum – so wird argumentiert -, die Wege vom Land in die Stadt (Straßen, ÖPNV) zu ebnen. Man wird die unübersehbaren Mängel des Homeoffice dazu benutzen, um für die Rückkehr zu den weit überwiegend in den Städten angesiedelten Arbeitsplätzen zu werben, damit deren Dominanz in der Arbeits-, Einkaufs- Bildungs-, Kultur- und Freizeitwelt gesichert werde. Manches konnten wir bisher schon von den skandinavischen Ländern lernen. Auch die sogenannten Telestugas (Telehäuser) könnten ein Beispiel sein. Seit Mitte der 80er Jahre wird dort organisierte Telearbeit praktiziert. In den Orten unserer ländlichen Räume gibt es einen immensen Häuser- und Wohnungsleerstand, während in den Ballungszentren Wohnungsnot herrscht. In jedem Dorf finden sich Gebäude, die sich für eine Umgestaltung in Telebüros (Bürogemeinschaften) eignen (ausreichende Breitbandverfügbarkeit vorausgesetzt), wo bisherige Auspendler (68 Prozent im Kfz) in fuß- oder fahrradläufiger Entfernung ihren Arbeitsplatz haben, ihren Laptop andocken und dort ein neues kollegiales Verhältnis entwickeln, mit Kaffeeplausch am Tresen, Nutzung von Synergieeffekten und mit der Freiheit, mittags zuhause oder im nahen Gasthaus die Mahlzeit einzunehmen. Bevor man auswärts einkauft, würde man zunächst am Ort und in der nächsten Umgebung nachfragen. Und im Gegensatz zum Homeoffice würde der Zerlegungsanteil an der Gewerbesteuer dem eigenen Wohnort statt dem Sitz der Firma in der fernen Stadt zufließen.
Reinhold H. Möller, 97753 Karlstadt